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Genetik

Haut als Asthma-Faktor

Gendefekt in Hautzellen führt zu Neurodermitis, Heuschnupfen und Asthma

Ein genetisch bedingter Mangel an einem Schlüsseleiweiß der Hautbarriere spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Allergien. Etwa acht Prozent der deutschen Bevölkerung trägt Varianten des so genannten Filaggrin-Gens, die das Erkrankungsrisiko für Neurodermitis um mehr als das Dreifache erhöhen. Zudem prädisponieren diese Genvarianten auch zu Heuschnupfen und lassen das Risiko von Neurodermitikern, zusätzlich an Asthma zu erkranken, ansteigen.

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Allergische Erkrankungen haben in den letzten Jahrzehnten in den meisten Industrienationen stark zugenommen. Als Auslöser gilt eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren. In den letzten Jahren wurden mehrere Gene im Zusammenhang mit allergischen Erkrankungen untersucht – und eines davon entpuppte sich tatsächlich als Schlüsselfaktor. Dieses Gen enthält die

Bauanleitung für Filaggrin, ein essentielles Protein in der Hornschicht der Haut.

Wird dieses Protein aufgrund eines Gendefekts vermindert oder überhaupt nicht gebildet, ist die natürliche Verhornung gestört und die natürliche Barrierefunktion der Haut eingeschränkt. Varianten des Filaggrin-Gens sind für die so genannte Fischschuppenkrankheit verantwortlich, die je nach genetischer Konstellation auch nur milde als „trockene Haut“ ausgeprägt sein kann. Darüber scheinen die Genvarianten auch einen starken Risikofaktor für die Entwicklung von Neurodermitis darzustellen.

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„Die Haut erfüllt eine Vielfalt an Funktionen und ist eine äußerst wirkungsvolle physikalische, chemische und immunologische Barriere“, erklärt Stephan Weidinger von der Technischen Universität München und dem Helmholtz Zentrum München, der gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Illig ebenfalls vom Helmholtz Zentrum die aktuelle Studie leitete. „Sie schützt uns vor mechanischen Verletzungen, aber auch vor dem Eindringen von Stoffen aus der Umwelt, wie Erregern und Allergenen. Besonders wichtig dafür ist die äußerste Schicht, die selbst aus mehreren Lagen bestehende Epidermis. An der Außenseite enthält sie fast ausschließlich abgestorbene und komplex verpackte, verhornte Zellen. Für die ordnungsgemäße Verhornung ist Filaggrin ein entscheidendes Protein“.

Zusammenhang mit Asthma, Neurofermitis und Heuschnupfen

In der aktuellen bevölkerungsrepräsentativen Studie an 3.000 Schulkindern zeigte sich, dass fast acht Prozent der Kinder aufgrund von Genvarianten einen Mangel an Filaggrin-Eiweiß in der Haut und dadurch ein mehr als dreifach erhöhtes Risiko haben, an Neurodermitis zu erkranken. Die im „Journal for Allergy and Clinical Immunology“ veröffentlichte Untersuchung wies aber noch einen weiteren Zusammenhang nach: Die bereits bekannten Defekte im Filaggrin-Gen sowie weitere seltenere Mutationen können auch das Risiko für allergische Sensibilisierungen und Heuschnupfen erhöhen, und bei Patienten mit Neurodermitis zusätzlich zu Asthma führen.

Die Resultate zu Asthma waren besonders überraschend, weil Filaggrin bislang nicht im Epithel der Bronchien, also der äußersten Schicht der Luftwege, nachgewiesen wurde, sondern nur für die Haut von Bedeutung zu sein scheint. Möglicherweise bedingt eine geschwächte Hautbarrierefunktion ein erleichtertes Eindringen von Allergenen und eine erhöhte Entzündungsbereitschaft.

„Insgesamt zeigen unsere Resultate, dass Mutationen im Filaggrin-Gen extrem starke Risikofaktoren für Neurodermitis sind und darüber hinaus Heuschnupfen und bei einem bereits bestehenden Ekzem auch Asthma verursachen können“, so Weidinger. „Asthma alleine scheint dagegen nicht mit diesen Gendefekten in Zusammenhang zu stehen.“ In weiteren Untersuchung hat das Team um Weidinger und Illig festgestellt, dass die entdeckten Varianten des Filaggrin-Gens auch das Risiko für das allergische Kontaktekzem erhöhen, insbesondere für allergische Reaktionen gegen das häufig in Modeschmuck enthaltene Nickel.

Ansatzpunkt für Therapien

Der Haut kommt bei der Entstehung verschiedener allergischer Erkrankungen offensichtlich eine ganz entscheidende Bedeutung zu. „Für uns ist nun von Interesse, wie genau sich die Defekte im Filaggrin-Gen auswirken“, erklärt Illig. „Wir werden als nächstes den Stoffwechselweg dieses wichtigen Proteins untersuchen. Unter anderem muss geklärt werden, welche molekularen Mechanismen auf genetischer Ebene, aber auch bei dem Protein selbst eine Rolle spielen.“

Denn letztlich geht es den Wissenschaftlern natürlich auch darum, eine Therapie für die Patienten mit allergischen Erkrankungen zu finden. „Wenn ein Mangel an Filaggrin ein so wichtiger Faktor bei all diesen Leiden ist, wäre es etwa denkbar, die Produktion dieses Proteins bei den Patienten mit Hilfe von Cremes zu erhöhen oder auf anderem Weg seine Funktionen zu ersetzen“, so der Forscher weiter. „Unsere Ergebnisse sind also ein erster Schritt hin zu einem besseren Verständnis der krankmachenden Mechanismen – und auch hin zu Ansätzen für eine mögliche Prävention und Therapie dieser weit verbreiteten Leiden.“

(Helmholtz Zentrum München, 24.07.2008 – NPO)

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