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Biologie

Hat der Mensch doch einen Magnetsinn?

Protein in der menschlichen Netzhaut reagiert auf das Magnetfeld

Ein Molekül in unserer Natzhaut reagiert auf das Magnetfeld © SXC / NPO

Viele Tiere besitzen einen ausgeprägten Magnetsinn, der Mensch dagegen nicht – so jedenfalls die bisherige Annahme. Jetzt jedoch haben amerikanische Forscher festgestellt, dass auch wir Menschen ein Protein in unserer Netzhaut tragen, das auf magnetische Felder reagiert. Wie sie in „Nature Communications“ berichten, muss nun möglicherweise die menschliche Magnetsensitivität neu erforscht und bewertet werden.

Für Zugvögel und Meeresschildkröten ist die Fähigkeit, das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen entscheidend. Denn die Richtung und Neigung der Magnetfeldlinien hilft diesen Tieren auf ihrer Wanderschaft bei der Navigation. Bei vielen migratorischen Tierarten, darunter auch der Fruchtfliege Drosophila, gehen Forscher heute davon aus, dass diese das Magnetfeld „sehen“ können: Basierend auf Pigmenten wie dem Cytochrom finden lichtsensible chemische Reaktionen statt, die ein kurzlebiges, zwischen zwei Quantenzuständen wechselndes Molekül erzeugen. Die Neigung der Magnetfeldlinien bestimmt, welchen der beiden Zustände das Molekül letztlich einnimmt und damit auch, welche Reaktion als nächste abläuft.

Menschliches Cytochrom in Fruchtfliegen getestet

Im Gegensatz dazu scheint der Mensch keinerlei natürlichen Magnetsinn zu besitzen. Zwar findet sich auch bei uns ein Cytochrom-Protein in der Netzhaut, das so genannte hCRY2. Dessen Fähigkeit zur magnetfeldabhängigen Reaktion war jedoch bisher unbekannt. Ein Forscherteam der Universität von Massachusetts unter Leitung von Steven Reppert hat nun erstmals dieses Protein genauer daraufhin untersucht.

Für ihre Studie erzeugten die Forscher einen Stamm transgener Fruchtfliegen, denen ihr natürliches Cytochrom fehlte, die aber dafür das menschliche hCRY2 produzierten. In Experimenten testeten sie anschließend, ob die solcherart manipulierten Fruchtfliegen dennoch weiterhin fähig waren, sich am Magnetfeld zu orientieren. In einem Labyrinth wurde in einem Gang mit Hilfe elektrischer Spulen ein Magnetfeld erzeugt, in einem zweiten dagegen nicht. Die Wissenschaftler testeten darin sowohl die Präferenz der Fliegen im untrainierten Zustand, als auch ihre Erfolgsquote, wenn sie für den Besuch im magnetisierten Gang mit Zuckerwasser belohnt wurden.

Molekulare Voraussetzung gegeben

Das Ergebnis: Auch mit der menschlichen Cytochrom-Variante konnten die Fliegen den magnetisierten Gang erkennen und gezielt anfliegen. Demnach muss auch dieses Molekül grundsätzlich als Magnetsensor funktionieren können. Inwieweit dies bedeutet, dass auch der Mensch über einen rudimentären Magnetsinn verfügt, müssen nun weitere Forschungen zeigen. „Noch wissen wir nicht, ob diese molekulare Fähigkeit auch in eine biologische Reaktion in der menschlichen Retina übersetzt wird“, erklären die Forscher. „Aber die Ergebnisse mit hCRY2 und sein Sitz in der menschlichen Retina sowie frühere Studien deuten darauf hin, dass eine Neubewertung der menschlichen Magnetsensitivität notwendig sein könnte.“ (Nature Communications, 2011; DOI: 10.1038/ncomms1364)

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(University of Massachusetts Medical School, 22.06.2011 – NPO)

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