Ein Ballettlehrer kann Tanzbewegungen nicht nur exzellent ausführen, sondern auch kleinste Unterschiede zwischen solchen Bewegungen erkennen. Dies liegt jedoch nicht nur daran, dass ein erfahrener Tänzer solche Bewegungen sehr häufig gesehen hat, wie Tübinger Hirnforscher in der Zeitschrift Current Biology schreiben. Vielmehr werden neben den visuellen Reizen zusätzlich die eigenen Motorprogramme des Körpers zur Beurteilung herangezogen.
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Für ihre Untersuchung trainierten Dr. Antonino Casile und Dr. Martin Giese vom Tübinger Hertie-Institut für klinische Hirnforschung Versuchspersonen mit verbundenen Augen, ein neues Bewegungsmuster mit den Armen auszuführen. Vor und nach diesem Training testeten sie die visuelle Erkennungsleistung für kleine Unterschiede zwischen diesen Bewegungen. Das Üben mit verbundenen Augen führte dazu, dass die trainierte neue Bewegung besser erkannt wurde. Zudem zeigten diejenigen Testpersonen, die die neue Bewegung am besten gelernt hatten nachher die beste Erkennungsleistung.
Damit konnten die Hirnforscher zeigen, dass es einen weitaus direkteren Einfluss von motorischem Können auf die visuelle Erkennung von Bewegungen gibt: Scheinbar verwenden wir bei der Erkennung von Bewegungsabläufen unsere gelernten Motorprogramme. Das scheint selbst dann der Fall zu sein, wenn wir unsere motorischen Fähigkeiten ohne visuelle Stimulation gelernt haben. Die Tübinger Forscher interpretieren ihre Resultate als Hinweis darauf, dass Menschen bei der visuellen Wahrnehmung von Handlungen beobachtete Bewegungen mit ihren eigenen ausführenden, motorischen Bewegungsprogrammen vergleichen.
(idw – Universitätsklinikum Tübingen, 24.08.2006 – AHE)