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Biologie

Größter Algenteppich der Welt vermessen

Seetang-Gürtel im äquatorialen Atlantik erstreckt sich über 8.800 Kilometer

Sargassum-Seetang
Algen - soweit das Auge reicht: Der Sargassum-Seetang ist in manchen Gebieten zu einer regelrechten Plage geworden. © Brian Lapointe/ Florida Atlantic University’s Harbor Branch Oceanographic Institute

Ein riesiges braunes Band: Die Meeresoberfläche des äquatorialen Atlantik ist mit einem enormen Teppich aus Algen bedeckt. Wie Satellitenbilder enthüllen, erstreckten sich die Seetang-Massen im vergangenen Jahr von Westafrika bis zum Golf von Mexiko und breiteten sich über eine Strecke von mehr als 8.800 Kilometern aus. Damit handelt es sich um den größten Algenteppich der Welt. Forscher befürchten negative Folgen für Natur und Wirtschaft.

Einige Arten von Sargassum-Seetang bilden auf dem Meer regelrechte Inseln. Denn dank ihrer mit Gas gefüllten Vesikel schwimmen diese Braunalgen an der Wasseroberfläche, wo sie zahlreiche Meeresbewohner anlocken. „Im offenen Ozean dient Sargassum als Lebensraum und Rückzugsort für unterschiedliche marine Lebewesen. Oft lassen sich zum Beispiel Fische und Delfine rund um diese schwimmenden Algenmatten beobachten“, erklärt Mengqiu Wang von der University of South Florida in Tampa.

Doch der eigentlich nützliche Seetang wird zunehmend zum Problem: In den letzten Jahren haben sich die Braunalgen so stark vermehrt, dass riesige Ansammlungen von ihnen immer wieder bis an die Küsten gespült werden. An den Stränden beliebter Urlaubsziele wie Mexiko oder der Dominikanischen Republik verbreiten die Algen den Geruch nach faulen Eiern, weil bei ihrer Zersetzung Schwefelwasserstoff frei wird. Der Seetang schadet aber nicht nur dem Tourismus. In zu großer Anhäufung gefährdet er auch das Überleben von Korallen und anderen marinen Spezies.

Angeschwemmter Sargassum
Am Strand verströmen die Algenmassen den Geruch nach faulen Eiern. © Brian Cousin/ Florida Atlantic University’s Harbor Branch Oceanographic Institute

8.850 Kilometer langer Seetang-Gürtel

Der karibische Inselstaat Barbados rief im vergangenen Jahr wegen der Sargassum-Plage bereits einen Notstand aus. Doch wie groß ist das Problem wirklich? Um dies herauszufinden, haben Wang und ihre Kollegen nun Daten vom Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) an Bord eines NASA-Satelliten ausgewertet, die das Ausmaß der schwimmenden Algenflächen in den letzten 19 Jahren offenbaren.

Wie die Forscher berichten, kam es im Atlantik seit 2011 fast jedes Jahr zu einer massiven Algenblüte. Der Seetang hat sich dabei so stark ausgebreitet, dass das Team vom „Great Atlantic Sargassum Belt“ spricht – einem Gürtel aus Algen, der sich mitunter von Westafrika bis zum Golf von Mexiko erstreckt. Im Juni 2018 erreichte dieser Seetang-Teppich eine Länge von 8.850 Kilometern. 20 Millionen Tonnen Biomasse schwammen damals auf der Wasseroberfläche und bildeten damit den größten Algenteppich der Welt.

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Ausbreitung des Seetang-Gürtels
Seit 2011 kam es fast jedes Jahr zu massiven Algenblüten - mit Ausnahme von 2013. © USF College of Marine Science

Menschliche Aktivitäten als Erklärung

Weitere Untersuchungen zeigten, dass Form und Ausmaß des Seetang-Teppichs unter anderem von den Meeresströmungen abhängen. Außerdem spielt der saisonale Eintrag von Nährstoffen eine entscheidende Rolle. Im Winter steigt vor der westafrikanischen Küste demnach nährstoffreicheres Wasser aus tieferliegenden Schichten an die Oberfläche auf und fördert so das Wachstum der Algen.

Im Frühling und Sommer transportiert zudem der Amazonas zusätzliche Nährstoffe in den Ozean. Wie das Team erklärt, ist die Menge der dabei eingetragenen Stickstoff- und Phosphorverbindungen durch menschliche Aktivitäten größer geworden. Ihnen zufolge korreliert die Sargassum-Explosion offenbar mit der zunehmenden Abholzung von Wäldern und dem verstärkten Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft seit 2010.

Der neue Normalfall?

Wang und ihre Kollegen gehen daher davon aus, dass die massive Ausbreitung des Sargassum-Seetangs im tropischen Atlantik und der Karibik der neue Normalfall sein könnte. Genaue Prognosen zu künftigen Algenblüten seien allerdings schwierig – dafür hänge das Phänomen von zu vielen Faktoren ab, die nur schwer vorherzusehen seien. Die Meeresforscher James Gower und Stephanie King bestätigen in einem Kommentar zur Studie diese Einschätzung: „Der Sargassum-Teppich könnte in der Zukunft wieder schrumpfen oder sich gar in andere Ozeane ausbreiten.“

Wie sich der Algenteppich verhält und welche Folgen er für die Ökosysteme und Wirtschaftsbereiche wie die Fischerei hat, müssen weitere Studien erst noch zeigen. „Wir hoffen, dass unsere Arbeit die Basis für ein besseres Verständnis dieses Phänomens bietet. Doch es ist noch viel weiterführende Forschung nötig“, schließt Wangs Kollege Chuanmin Hu. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aaw7912)

Quelle: AAAS/ University of South Florida

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