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Zoologie

Gorillas: Junggesellen unter sich

Neue Lösung für „überschüssige“ männliche Gorillas in Zoos

Erfolgreiche Zucht und verbesserte Haltungsbedingungen bei Menschenaffen stellen Zoos zunehmend vor ein Problem: Wohin mit den überzähligen männlichen Tieren? Wegen der Konkurrenz zum dominierenden Männchen und den eventuell daraus resultierenden aggressiven Auseinandersetzungen müssen die Heranwachsenden aus der Gruppe genommen und bislang oft einzeln gehalten werden. Freilebende Berggorillas liefern jetzt ein Vorbild, von dem auch in Zoos gehaltene Gorillas profitieren können: Junggesellengruppen.

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Die Verhaltensbiologin Dr. Marianne Nitsch von der Freien Universität Berlin untersuchte in zwei europäischen Zoos westliche Flachlandgorillas, die zahlreichste Gorillaart in freier Wildbahn und in Zoos, um festzustellen, unter welchen Bedingungen diese Junggesellengruppen erfolgreich gebildet werden können.

Junggesellen statt Harem

Westliche Flachlandgorillas (Gorilla gorilla) werden üblicherweise in so genannten Haremsgruppen aus einem dominierenden erwachsenen Männchen, mehreren Weibchen und deren Nachwuchs gehalten. Wie in freier Wildbahn kann es zwischen dem dominierenden und den weiteren erwachsenen Männchen zu ernsthaften Auseinandersetzungen kommen. Durch Untersuchungen bei frei lebenden Berggorillas (Gorilla beringei) hat man herausgefunden, dass Männchen häufig die Geburtsgruppe verlassen und entweder einzeln oder in Junggesellengruppen umherstreifen. Das wird nun von zoologischen Gärten als Möglichkeit gesehen, den Tieren den für sie so wichtigen Sozialkontakt zu Artgenossen zu erhalten.

Im Rahmen ihrer Studien beobachtete Marianne Nitsch sowohl die Neuformation einer solchen Gruppe als auch eine bereits seit einem längeren Zeitraum bestehende Junggesellengruppe. Die Untersuchungen an der neuen Gruppe, die aus zwei erwachsenen Männchen und zwei Jungtieren bestehen sollte, fanden im Zoo der südenglischen Stadt Paignton statt. Da die beiden erwachsenen Männchen sich bereits kannten, ging man von einer friedlichen Koexistenz aus.

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Wahrscheinlich durch die plötzlichen Veränderungen in der Sozialstruktur, die neue Umgebung und die Gleichrangigkeit der Tiere kam es zu aggressiven Auseinandersetzungen, die zur Trennung der beiden führte. Die beiden Jungtiere hatten schon vor der Gruppenbildung stabile soziale Bindungen entwickelt und unterstützten sich gegenseitig gegenüber dem erwachsenen Männchen, mit dem schließlich die Gruppenbildung gelang.

Die Verhaltensbeobachtungen an der seit einem längeren Zeitraum bestehenden Junggesellengruppe (Loro Park, Teneriffa) zeigten, dass alle Gruppenmitglieder gute Sozialkontakte zueinander aufgebaut hatten. Weiterhin zeigte Marianne Nitsch, dass die Gorillas Koalitionen miteinander eingehen und sich bei eventuellen Konfliktsituationen gegenseitig unterstützen. Beide Gehege waren so ausgestattet, dass für reichlich Beschäftigung wie Werkzeuggebrauch und Nestbau gesorgt war. Diese Möglichkeiten wurden besonders von der zweiten Junggesellengruppe genutzt.

Grundregeln für’s glückliche Rudelleben

Auf Grundlage der vergleichenden Verhaltensanalysen hat Marianne Nitsch Empfehlungen für die Bildung und das Langzeitmanagement von Gorilla-Junggesellengruppen zusammengestellt. Demnach sollte der Gruppenbildungsprozess mit Tieren unterschiedlicher Altersstufen und mit nicht mehr als einem erwachsenen Männchen beginnen. Das reduziert das Aggressionspotenzial und verstärkt gesellige Verhaltensweisen. Werden neue Gruppenmitglieder in die Gruppe integriert, sollte der Kontakt zu den anderen Tieren zuerst begrenzt werden, zum Beispiel durch trennende Gitter oder nur teilweise geöffnete Türen.

Außerdem brauchen die Neuen viel Zeit, um sich an die andere Umgebung zu gewöhnen sowie Gegenstände, an denen sie ihre anfänglichen Aggressionen abbauen können. Mindestens ein Gorilla sollte reichhaltige soziale Erfahrungen haben, also in einer Gruppe aufgewachsen sein. Diese Tiere erhöhen die geselligen Kontakte in der neuen Gruppe und tragen positiv zur Gruppenbildung und zum erfolgreichen Langzeitmanagement solcher Gruppen bei.

Die Gruppe muss sich zudem mit verschiedenen Dingen beschäftigen können, um zum Beispiel die Ausprägung von stereotypischen Verhaltensweisen zu vermeiden. Die Gehege sollten daher sehr vielgestaltig gebaut werden und den Tieren die Möglichkeit bieten, sich auch mal den Blicken der anderen entziehen zu können.

Da sich die Gruppen natürlich über die Zeit verändern, muss in weiteren Untersuchungen festgestellt werden, ob Männchen, wenn sie erwachsene Silberrücken geworden sind, aus der Gruppe genommen werden müssen oder unter welchen Umständen sie dort bleiben können. Nach ihren Studien kommt Marianne Nitsch zu dem Schluss, dass Junggesellengruppen auch für Zoos ein viel versprechendes Modell sind, wenn die verschiedenen Kriterien für deren Bildung und Haltung beachtet werden. Solche Gruppen sind dann auch für das Publikum interessant und lehrreich.

(Freie Universität Berlin, 07.03.2005 – NPO)

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