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Neurobiologie

Geruch verändert Verknüpfungen im Gehirn

Sensorischer Input beeinflusst die Verbindung von Nervenzellen

. Im Insektenhirn treten Nervenzellen des Pilzkörpers (grün) mit Nervenzellen in Kontakt, die Geruchsinformationen von der "Insektennase" bringen (rot). Erstmals konnten nun beide Zelltypen angefärbt werden, sodass die Veränderungen dieser Strukturen (links im Schema, rechts unter dem Fluoreszenzmikroskop) in Reaktion auf Umweltveränderungen untersucht werden können. © Max-Planck-Institut für Neurobiologie / Tavosanis

Entgegen bisherigen Annahmen liefern Sinneswahrnehmungen nicht nur Informationen über die Außenwelt, sie können auch die Organisation des Gehirns verändern. Das zeigt eine jetzt in „Current Biology“ erschienene Studie an Fruchtfliegen: Unterbrachen Forscher den Zustrom der Geruchsinformationen, veränderten sich Zahl und Größe von spziellen Nervenkontakten im Gehirn gravierend.

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Der Mensch nimmt Gerüche über Rezeptoren in der Nase wahr. Von dort werden sie über verschiedene Nervenzellen an das Gehirn weitergegeben, wo sie analysiert und mit Erfahrungen, Bildern oder Emotionen verknüpft werden. So genügt manchmal der Hauch eines Duftes, um eine Erinnerung wieder wachzurufen. Doch was passiert im Gehirn, wenn solche Gerüche verarbeitet und mit bestimmten Erfahrungen verknüpft werden?

Wie veränderlich sind die Kontaktstellen?

Ein geeignetes Modell um dies zu verstehen, ist die Fruchtfliege, denn auch diese Tiere speichern positive oder negative Erfahrungen in Bezug auf bestimmte Gerüche. Die Geruchsrezeptoren der Fruchtfliege sitzen auf den Antennen und Mundtastern der Tiere. Von hier leiten Nervenzellen die Geruchsinformationen zu höheren Gehirnzentren wie dem Pilzkörper – dem Sitz des olfaktorischen Gedächtnisses. In speziellen Kontakt-Komplexen, den Mikroglomeruli, stehen mehrere Pilzkörper-Nervenzellen mit je einer geruchsinformierenden Nervenzelle in Kontakt.

Von Ameisen und Bienen war bereits bekannt, dass sich diese Mikroglomeruli verändern, wenn die Tiere neue Aufgaben erledigen. Es blieb jedoch unklar, welche Rolle die Geruchsinformationen bei diesen Veränderungen spielen und was innerhalb dieser Strukturen geschieht. Nun ist es Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried und Kollegen aus Berlin, Köln und Würzburg gelungen, die Vorgänge in diesen kleinsten Strukturen sichtbar zu machen.

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Geruchsstopp löst Strukturveränderungen aus

Mithilfe genetischer Veränderungen markierten sie sowohl einzelne Geruchs-Eingangszellen als auch bestimmte Pilzkörperzellen mit unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen. Unter dem Fluoreszenz-Mikroskop traten diese Zellen nun aus der Masse der Nervenzellen hervor. Wo die Zellen in den Mikroglomeruli zusammentrafen, konnten die Wissenschaftler auf diese Weise erstmals Veränderungen beobachten und analysieren. Dabei machten sie eine erstaunliche Entdeckung: Wenn sie den Nachschub an Geruchsinformationen experimentell unterbrachen, veränderte sich sowohl die Anzahl als auch die Größe der Mikroglomeruli.

„Das war völlig unerwartet“, sagt Gaia Tavosanis, die Leiterin der Studie. Unerwartet, denn bisher war man der Meinung, dass sensorische Informationen keinen Einfluss auf die entwicklungsbedingte Verknüpfung von geruchsverarbeitenden Nervenzellen im Insektengehirn haben. „Anscheinend reichten die Auflösung und die Darstellungsmethoden bislang einfach noch nicht aus – daher blieben diese Veränderungen unentdeckt.“ Nachdem die Wissenschaftler nun genauer hinschauen können, steht das nächste Ziel schon fest: Sie wollen herausfinden, ob sich die Struktur der Mikroglomeruli auch dann verändert, wenn Geruchserinnerungen entstehen.

(Max-Planck-Gesellschaft, 12.11.2010 – NPO)

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