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Medizin

Gentherapie: Künstliche Viren besser als „normale“?

Forscher untersuchen Aufnahmeeffizienz in Zellen

Viele Krankheiten werden durch Defekte im Erbgut ausgelöst. Ziel einer Gentherapie ist es mithilfe von Viren gesunde Gene in die Zellen des lebenden Organismus einschleusen, damit diese die defekten Kopien ersetzen können. Ein Ansatz nutzt dabei „künstliche Viren“, also eigens geschaffene molekulare Transporteinheiten. Doch wie effektiv arbeiten solche künstlichen Viren? Wie schnell werden sie in die Zellen aufgenommen? Bei den Antworten auf diese Fragen sind Wissenschaftler jetzt einen entscheidenden Schritt weitergekommen.

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In einer neuen Studie haben sie verschiedene künstliche Viren ausprobiert und deren Weg in Tumorzellen mit bislang unerreichter Auflösung verfolgt. Die molekularen Transportvehikel erkannten alle den so genannten „Epidermal Growth Factor Receptor“, kurz EGFR, der in besonders hoher Dichte an der Oberfläche vieler Krebszellen vorliegt, so die Forscher der Universität München (LMU) in der Fachzeitschrift „Molecular Therapy“. Wie die mikroskopischen Aufnahmen zeigen, beschleunigte und erleichterte die Wechselwirkung mit diesem Molekül die Aufnahme der künstlichen Viren deutlich – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Therapie.

Viren können sich nur vermehren, indem sie in andere Zellen eindringen. Sie programmieren ihre Wirtszellen um, so dass diese eine neue Virengeneration produzieren. Die Fähigkeit, mit hoher Effizienz in fremde Zellen einzudringen, macht Viren zu potentiellen Transportvehikeln in der Gentherapie. Weil unerwünschte Nebenwirkungen dabei aber nicht ausgeschlossen werden können, greift die Forschung zunehmend auf „künstliche Viren“ zurück. Diese Vehikel können in Zellen eindringen, haben aber im Gegensatz zu ihren natürlichen Vorbildern kein krank machendes Potential.

Effizienz künstliche Viren untersucht

Das Team um Professor Christoph Bräuchle, Department für Chemie und Biochemie der LMU, sowie Professor Ernst Wagner, Department für Pharmazie, analysierte jetzt die Effizienz von drei künstlichen Viren. „In unserem Testsystem nutzten wir drei nicht-virale Vektoren, die aus dem Erbmolekül DNA komplexiert mit der Chemikalie Polyethylenimin, kurz PEI, bestanden – so genannte Polyplexe“, berichtet Wagner.

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Reine PEI-DNA-Polyplexe gelangen dabei mit hoher Effizienz in die Zellen, wenn auch nur sehr unspezifisch. Ihre Oberfläche ist positiv geladen. Bei einer zweiten Variante wurde das PEI teilweise durch ein Fusionsprodukt aus PEI mit der Chemikalie Polyethylenglykol ersetzt, wodurch die Oberfläche des Vehikels eine neutrale Ladung trug. Bei einer dritten Variante schließlich wurde noch ein weiteres Molekül in die Oberfläche eingebracht: der „Epidermal Growth Factor“, kurz EGF.

Dieses Protein spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Wachstums der Zelle, ihrer Differenzierung und anderen essentiellen Prozessen. EGF bindet an der Zelloberfläche hoch spezifisch an ein anderes Molekül, seinen Rezeptor. Dieser „Epidermal Growth Factor Receptor“, kurz EGFR, aber liegt verstärkt an der Oberfläche von Tumorzellen bei einer ganzen Reihe verschiedener Krebserkrankungen des Menschen vor – und ist damit ein attraktives Zielmolekül für maßgeschneiderte Therapien. Das gilt auch für den Einsatz künstlicher Viren.

Leberkrebszellen als Modellsystem

„Die Hoffnung bei dieser Art von Ansatz ist, dass die Transportvehikel systemisch verabreicht werden können, sich dann aber gezielt im Tumorgewebe – oder einem anderen Zielgewebe – ansammeln und dort aktiv werden“, meint Dr. Manfred Ogris, einer der Autoren der Arbeit. Als Modellsystem für ihre Untersuchungen wählten die Wissenschaftler humane Leberkrebszellen. „Ein spezifisches Merkmal dieser Zellen ist die hohe Expression von EGFR an der Zelloberfläche“, so Ogris. „Deshalb waren sie besonders geeignet für die Untersuchung mit unseren künstlichen Viren, die EGF enthielten.“ Denn so bestand die Möglichkeit, dass über die Wechselwirkung zwischen dem Wachstumsfaktor und seinem Rezeptor die molekularen Transportvehikel mit besonders hoher Effizienz in die Zellen geschleust würden.

„In früheren Arbeiten konnte sogar schon gezeigt werden, dass die Aufnahme der künstlichen Viren über EGFR erhöht ist“, berichtet Bräuchle. „Unbekannt war aber, worauf dieser Effekt im Detail beruht. In unserer Arbeit haben wir nun unspezifische Polyplexe mit solchen verglichen, die EGF an der Oberfläche enthielten.“ Dazu wurden einzelne, fluoreszent markierte Polyplexe auf ihrem Weg in die Zelle mittels hoch auflösender Fluoreszenzmikroskopie im Detail verfolgt und in Videosequenzen aufgenommen. „Die Analyse dieser Filme zeigte, dass Polyplexe mit EGF deutlich schneller in die Zelle aufgenommen werden und kürzer an der Zelloberfläche verweilen“, so Bräuchle.

Effektive Wechselwirkung zwischen EGF und EGFR

„Unspezifische Polyplexe dockten auch sehr gut an die Zelloberfläche an, wurden aber deutlich schlechter aufgenommen. Damit ist uns zum ersten Mal gelungen, die Dynamik von zielgerichteten künstlichen Viren bei der Aufnahme und dem Transport in die und in der lebenden Zelle im Detail zu beobachten und aufzunehmen.“ Dabei wurde auch deutlich, dass der gesamte Vorgang aus drei Phasen besteht, wobei der erste Abschnitt mit der Aufnahme in die Zelle endet, die Partikel sich im zweiten Abschnitt im Zellinneren bewegen und im dritten dann entlang zellulärer Stützstrukturen zum Zielort gebracht werden.

„Die Wechselwirkung zwischen EGF und EGFR verkürzt dabei die erste Phase deutlich und beschleunigt vor allem die Aufnahme des Partikels in die Zelle“, berichtet Bräuchle. „Die Kenntnis der Details solcher Prozesse ist für eine künftige Gentherapie von großer Wichtigkeit.“

(idw – Universität München, 26.04.2007 – DLO)

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