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Gentechnik

Gentech-Bakterien als Bienenretter?

Genmanipuliertes Darmbakterium schützt Bienen vor Varroamilbe und tödlichem Virus

Honigbiene mit Milbe
Genmanipulierte Bakterien können Honigbienen gegen Varroamilben schützen – allerdings ist diese Methode ökologisch riskant. © Alex Wild/University of Texas at Austin

Mikroben als Abwehrhelfer: Forscher haben Bienen-Darmbakterien gentechnisch so verändert, dass sie ihre Träger vor der Varroamilbe und dem tödlichen Flügeldeformationsvirus schützen. Die Bakterien erhielten Gene für spezifische RNA-Sequenzen, die die Vermehrung der Viren hemmen und die Milben sogar abtöten können. In Labortests erhöhte dies die Überlebensrate der Bienen signifikant, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ berichten.

Den Honigbienen geht es schlecht: In den letzten Jahren gehen vor allem im Winter immer mehr Bienenvölker zugrunde. Neben Pestiziden und mangelndem Futter durch landwirtschaftliche Monokulturen führen Forscher dies vor allem auf den Befall mit der parasitische Varroamilbe zurück. Diese blutsaugenden Milben schwächen die Abwehr der Bienen und übertragen Krankheitserreger wie das tödliche Flügeldeformationsvirus (DWV). Bisher gibt es jedoch wenig wirksame Mittel gegen den Befall.

Snodgrassella
Basis der Methode bilden Bakterien der Art Snodgrassella alvi – typische Bewohner des Bienendarms. © Waldan K. Kwong/CC-by-sa 4.0

Schutz auf Gen-Ebene

Eine neue Strategie haben nun Forscher um Sean Leonard von der University of Texas in Austin getestet. Ihre Basis bildet die RNA-Interferenz – ein Mechanismus, durch den kleine RNA-Schnipsel gezielt bestimmte Gene im Erbgut ausschalten können. Schleust man nun RNA-Schnipsel in die Bienen ein, die auf Erbgutteile der Milben oder der krankmachenden Viren abgestimmt sind, kann das deren Überleben und Vermehrung signifikant hemmen – theoretisch. Doch bisher war es nicht gelungen, die RNA-Interferenz bei Bienen effektiv umzusetzen.

Deshalb gehen Leonard und sein Team nun einen anderen Weg: Sie nutzen gentechnisch veränderte Bakterien, um die nötigen RNA-Schnipsel direkt im Darm der Bienen zu produzieren. Die Mikroben sorgen dadurch für anhaltenden Nachschub der RNA und halten so die RNA-Interferenz in Gang. „Dies ist das erste Mal, dass jemand die Gesundheit von Bienen verbessert hat, indem er ihr Mikrobiom genetisch manipuliert hat“, sagt Leonhard.

Manipulierte Darmbakterien als RNA-Fabriken

Für ihr Experiment schleusten die Forscher zunächst die Bauanleitungen für gegen die Varroamilbe oder die Viren wirkende RNA-Abschnitte in das Genom von Snodgrassella alvi ein. Dieses Bakterium gehört zur normalen Darmflora der Honigbiene. Im nächsten Schritt besprühten sie die Bienen eines Versuchsstocks mit einer Zuckerlösung, die die genmanipulierten Bakterien enthielt. Weil sich die Honigbienen daraufhin gegenseitig putzten und leckten, nahmen sie die Lösung samt der Mikroben auf.

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Es zeigte sich: Die genmanipulierten Bakterien vermehrten sich im Darm der Bienen und produzierten dort auch die gewünschten RNA-Schnipsel, wie ein Fluoreszenzmarker belegte. Doch würde dies die Honigbienen auch gegen die Varroamilbe und den Flügeldeformationsvirus schützen? Um das zu testen, injizierten die Forscher einem Teil der Versuchsbienen das Virus, eine andere Gruppe wurde mit Varroamilben angesteckt.

Ergebnisse
Mortalität der Varroamilben nach dem Saugen behandldeten Honigbienen (links) und Überlebensrate der Bienen nach Infektion mit dem Flügeldeformationsvirus. © University of Texas at Austin

Wirksam gegen Milben und Viren

Das Ergebnis: „Nach der Virusinjektion gingen die Kontrollbienen rapide zugrunde“, berichten die Forscher. Von den Bienen mit den genmanipulierten Bakterien überlebten dagegen 36 Prozent mehr. „Das zeigt, dass die symbiontenvermittelte RNA-Interferenz Honigbienen vor dem Flügeldeformationsvirus schützen kann“, sagen die Forscher.

Noch deutlicher waren die Ergebnisse für die Tests mit den Varroamilben: Von den Milben, die das Blut der behandelten Biene saugten, starben mehr als 80 Prozent. Bei den Kontrollversuchen waren es nur knapp halb so viele. „Der Grad der Schutzwirkung kann wahrscheinlich noch verbessert werden, wenn wir das System weiter optimieren“, betonen die Forscher. Hinzu komme, dass die genmanipulierten Bakterien vermutlich innerhalb des Bienenstocks weiterverbreitet werden – das könnte die Befallsraten mit Milben und Viren ebenfalls weiter senken.

Eine Chance – mit hohem Risiko

Was aber bedeutet dies für den praktischen Schutz der Bienen? Nach Ansicht von Leonard eröffnet diese Methode eine Chance, Honigbienen künftig besser gegen Parasiten und Pathogene zu schützen. Ähnlich sieht es auch der nicht an der Studie beteiligte Bienenforscher Robert Paxton von der Universität Halle-Wittenberg: „Diese Arbeit bietet zum ersten Mal eine mögliche kurz- bis mittelfristige Lösung für das wichtigste Problem der Honigbienen und Imker auf der ganzen Welt“, schreibt er in einem Kommentar.

Allerdings gibt es einen entscheidenden Haken: Für diese Methode werden Bakterien genetisch verändert – und diese könnten unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Zwar gelten die Snodgrassella-Bakterien als spezifisch für Honigbienen und wenige andere Bienenarten. Aber durch den Austausch von Genen mit anderen Bakterienarten könnten die manipulierten Genabschnitte auch auf weniger spezifische Mikroben übergehen.

„Die bedeutende ethische Frage der Genübertragung muss daher geklärt werden, bevor genmanipulierte Bakterien bei Honigbienen im Freiland eingesetzt werden“, sagt Paxton. Der nächste Schritt sei es nun, diese Versuche im Labor mit größeren Testvölkern von bis zu 50.000 Einzelbienen zu wiederholen. Das könnte auch klären, ob diese Methode in größerem Rahmen funktioniert. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aax9039)

Quelle: University of Texas at Austin

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