Anzeige
Biologie

Geniales Katapult der Farne enträtselt

Erfindung der Natur übertrifft die meisten menschengemachten Geräte an Raffinesse

Das Sporen-Katapult der Farne erzeugt die schnellsten Bewegungen im Pflanzenreich. © Noblin et al./ Royal Society Interface

Außergewöhnliche Erfindung der Natur: Ein raffiniertes Katapult erlaubt es den Farnen, ihre Sporen weit hinaus zu schleudern – und dabei die schnellsten Bewegungen des gesamten Pflanzenreichs auszuführen. Aber nicht nur das: Die Konstruktion dieser natürlichen Schleuder ist auch ein echter Geniestreich der Natur. Denn die Farnpflanze benötigt dafür nur zwei Zutaten: eine Reihe von Zellen und Wasser.

Die Natur hat unzählige geniale Technologien entwickelt: Ob die an- und abschaltbaren Haftkünste der Geckos, die Bungee-Nerven des Blauwals oder die enorme Sprungkraft der Froschbeine – der Mensch kommt trotz allen technischen Fortschritte an viele dieser Erfindungen nicht heran.

Schleuder für Minisamen

Jetzt haben Xavier Noblin von der Universität Nizza und seine Kollegen ein weiteres geniales Patent der Natur entdeckt – bei den Farnen. Schon länger war bekannt, dass echte Farne ihre Sporen nicht einfach fallen lassen, sondern sie mit einer katapultartigen Bewegung wegschleudern. Der Grund dafür ist die geringe Größe der Sporen von weniger als 50 Mikrometern: „Diese Winzigkeit verhindert, dass die Sporen sich von allein von der Mutterpflanze lösen“, erklären die Forscher.

Sporangien auf der Unterseite der Farnblätter © Homer Edward Price/ CC-by-sa 2.0

Doch für den Farn ist es wichtig, dass seine Nachkommen sich möglichst weit verbreiten – also schleudert er sie weg. Dafür besitzt er eine spezielle Konstruktion, die direkt in den Sporenbehälter integriert ist. Die äußere Wand dieses Sporangiums besteht aus besonders dickwandigen Zellen, die bei Reife der Samen austrockenen und sich dadurch verformen. Wird die Spannung zu groß, platzt der Sporenbehälter auf, klappt auf und dann extrem schnell wieder zu – wie eine Schleuder.

„Raffinierter als die meiste Menschentechnik“

Wie genau dieses Sporenkatapult funktioniert, war bisher jedoch nur in Teilen bekannt. Noblin und seine Kollegen haben dies nun am Goldtüpfelfarn (Polypodium aureum) genauer untersucht. Dafür nutzten sie unter anderem eine Highspeed-Kamera, kombiniert mit einem Mikroskop. Mit diesen Geräten beobachteten sie die Feinstrukturen des Sporangiums und seine Katapultbewegung.

Anzeige

Was sie sahen, überraschte selbst die Forscher. „Der Grad der Raffinesse beim Sporangium geht weit über das hinaus, was man bei den meisten menschengemachten Geräten findet“, konstatieren Noblin und seine Kollegen. Denn bei diesen dient jedes Bauteil normalerweise nur einer Funktion – nicht so bei der Farnpflanze. Wofür ein mittelalterliches Katapult Dutzende von Streben und Tauen benötigte, erledigt die Farnpflanze nur mit einer Reihe von 12 bis 25 miteinander verbundenen Zellen.

Nahaufnahme eines Sporangienhaufens: Deutlich sind die streifenförmigen Zellreihen zu erkennen, die das Katapult bilden. © Anatoly Mikhaltsov/ CC-by-sa 4.0

Drei Phasen – ein Bauteil

Die gesamte Katapultbewegung des Sporenbehälters wird allein durch diese Zellen und das in ihnen vorhandene Wasser kontrolliert, wie die Forscher herausfanden. Es beginnt mit der langsamen Verdunstung des Wassers, die die Zellwände unter Spannung setzt und so elastische Energie speichert. Dies entspricht dem Spannen des Katapults. Während dieser Phase öffnet sich der Sporenbehälter – das dauert einige Zehntelsekunden.

Dann kommt das Ausschleudern: Beim mittelalterlichen Katapult geschieht dies durch das Durchschlagen eines Taus oder Lösen eines Haltebolzens. Beim Farn ist die sogenannte Kavitation der Auslöser, wie die Forscher feststellten. Durch den plötzlichen Druckwechsel in den Zellen bilden sich Dampfblasen, die sich explosiv ausdehnen und die Sporangienwand nahezu instantan wieder nach vorn schnellen lassen. Die Sporen werden dadurch abrupt auf zehn Meter pro Sekunde beschleunigt und ausgeschleudert.

Nun kommt die dritte Phase: das Stoppen. Denn nur wenn das Katapult rechtzeitig seine Schleuderbewegung anhält, fliegen die Sporen weg, statt auf dem Boden zu landen oder sogar wieder im Inneren des Sporangiums. Der Farn erreicht dies, indem schon im Moment des Auslösens Wasser zurück in die Außenzellen strömt, wie Noblin und seine Kollegen berichten. Noch bevor die Schleuderbewegung ganz abgeschlossen ist, wird so dadurch gestoppt.

Außergewöhnlich und rekordverdächtig

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist das Farnkatapult damit eine außergewöhnliche Erfindung der Natur: „Das Kavitations-Katapult der echten Farne hebt sich gleich in mehrerer Weise ab: Es führt die schnellste überhaupt bekannte Pflanzenbewegung durch, ist völlig unabhängig vom Zellstoffwechsel und ist obendrein reversibel“, betonen die Forscher.

Die Kontrolle und Durchführung mehrerer getrennter Funktionen mit nur einer Struktur sei eine technische Herausforderung, die selbst der Mensch bei vielen seiner Geräte und Werkzeuge bisher nicht bewältigt habe. (Journal of the Royal Society Interface, 2016; doi: 10.1098/rsif.2015.0930)

(Royal Society, 13.01.2016 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Fusionsplasma

37 Millionen Grad im Fusionsplasma

Voyager 1 sendet wieder

„Anti-Aging-Geheimnis“ der Geiseltal-Frösche gelüftet

Video: Flug über einen außerirdischen Lavasee

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Im Fokus: Strategien der Evolution - Geniale Anpassungen und folgenreiche Fehltritte von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Botanik - Die umfassende Biologie der Pflanzen von Ulrich Lüttge, Manfred Kluge und Gerhard Thiel

Das geheime Bewusstsein der Pflanzen - Botschaften aus einer unbekannten Welt von Joseph Scheppach

Bionik - Das Genie der Natur von Alfred Vendl und Steve Nicholls

Top-Clicks der Woche