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Genetik

„Genfähren“ sind wählerisch

Erstmals Ansatzstellen für Retroviren im Genom kartiert

Ansatzstellen von Retroviren in Genomabschnitt (blau: HIV, violett: MLV, grün: ASLV) © University Of Pennsylvania

Retroviren gehören zu den vielversprechendsten Transportvehikeln in der Gentherapie. Als „Genfähren“ sollen sie die therapeutisch wirksamen Gene in die Erbsubstanz des Patienten einschleusen. An welcher Stelle des Genoms diese Viren jedoch ihre Fracht freisetzen, war bislang unbekannt. Da eine Insertion an der falschen Stelle auch Krankheiten wie Krebs auslösen kann, gilt der Suche nach den Virenansatzstellen zur Zeit höchste Priorität. Jetzt ist es Wissenschaftlern erstmals gelungen, die Ansatzstellen für drei gängige „Genfähren“ zu kartieren.

Die Forscher der Medizinischen Hochschule der Pennsylvania Universität unter der Leitung von Mikrobiologie-Professor Frederic Bushman haben dafür das gesamte Genom nach den Ansatzstellen von drei verbreiteten Vektoren untersucht, die durch gentechnische Veränderungen aus Aidsviren (HIV), dem murinen Leukämie-Virus (MLV) und dem Vogel-Sarkom-Leukose-Virus (ASLV) entwickelt worden sind. Sie stellten dabei fest, dass HIV bevorzugt in der Nähe aktiver Gene bindet, MLV nahe Orten im Chromosom, wo die Protein-Translation gerade beginnt und ASLV sich eher zufällig über das gesamte Genom verteilt anlagert.

Dass jedes der drei Viren ein individuelles Bindungsmuster aufwies, ist nicht nur überraschend, es deutet nach Ansicht der Forscher auch darauf hin, dass die Viren gezielt bestimmte chromosomale Strukturen ansteuern.

„Es zeigt sich ein Bild davon, wo unterschiedliche Retroviren in menschlichen Zellen ansetzen und es scheint von Virus zu Virus unterschiedlich zu sein – etwas, was keiner zuvor vermutet hätte“, erklärt Bushman. „Wir können zur Zeit nur über den Mechanismus spekulieren, aber eine attraktive Idee wäre es, dass die retroviralen Integrationskomplexe gezielt zellulare DNA-bindende Proteine auf dem Chromosom ansteuern.“

Die Ergebnisse sind für die Entwicklung der Gentherapie von entscheidender Bedeutung, da es zur Zeit insbesondere an der Sicherheit der Genfähren hapert. Ausgehend von Studien mit Hefezellen spekulieren die Forscher darüber, dass es möglicherweise ein biochemisches Erkennungssystem zwischen den Proteinen der menschlichen Chromosomen und den viralen Proteinen geben könnte, das die Integration und die von Virus zu Virus spezifische Erkennung der Ansatzstellen kontrolliert. „Das eröffnet die Aussicht auf die Möglichkeit, dieses System zu verändern oder sogar gezielt zu manipulieren, um eine direkte Integration der Genfähren an die gewünschten Genorte zu erreichen, sobald wir das Ganze besser verstanden haben“, erklärt Bushman. Auch die Entwicklung neuer HIV-Medikamente könnte durch diese Erkenntnisse gefördert werden.

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(University Of Pennsylvania Medical Center, 18.08.2004 – NPO)

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