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Genetik

Gene "machen" dick

Schlüsselgen für Fettleibigkeit entdeckt

Zuviel Fett im Körpergewebe kann bis zur Herzschwäche oder gar zum Herzversagen führen. Doch anders als lange angenommen, ist die in Industrieländern verbreitete Fettleibigkeit nicht nur in ungesunder Ernährung begründet, sondern lässt sich neueren Erkenntnissen zufolge zumindest teilweise auch auf genetische Veranlagung zurückführen. Forscher haben jetzt im Tierversuch an Mäusen vermutlich eines der Schlüsselgene für diese Veranlagung entdeckt.

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Den Wissenschaftlern um Professor Rudolf Zechner vom Institut für Molekulare Biowissenschaft der Universität Graz ist es zusammen mit Tierphysiologen der Universität Marburg sogar gelungen, die Arbeitsweise des so genannten Atgl-Gen (Adipose Triglyceride Lipase) vollständig zu entschlüsseln.

Die Marburger Wissenschaftler hatten Tiere untersucht, deren Atgl-Gen im Labor Zechners "ausgeschaltet" worden war ("Knock-Out-Mäuse"), und zahlreiche Daten über ihren dadurch veränderten Fettstoffwechsel gesammelt. "Unter anderem konnten wir bei den rund 25 Gramm schweren Knock-Out-Mäusen präzise nachweisen, dass sie über zwei Gramm mehr Körperfett verfügten als normale Mäuse. Diese überschüssigen Fettreserven konnten sie aber nicht abbauen und in ihrem Stoffwechsel verbrennen.", so der Biologe Martin Klingenspor in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.

Fettreserven nicht mehr mobilisierbar

Klingenspor und seine Mitarbeiter Carola Meyer und Jan Rozman maßen auch den Sauerstoffverbrauch der Mäuse und das von ihnen bei der Atmung produzierte Kohlendioxid. Der aus diesen Werten ermittelte so genannte "Respiratorische Quotient" bestätigte, dass Knock-Out-Mäuse weniger Fett verbrennen. "Zudem kühlten unsere Tiere regelrecht aus", erklärt der Biologe. "Als wir ihnen für nur wenige Stunden kein Futter gaben, sank ihre Körpertemperatur von rund 38 Grad Celsius auf gerade noch 27 Grad Celsius. Ohne das Atgl-Gen konnten sie ihre Fettreserven nicht mehr mobilisieren."

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Mit den jüngsten Ergebnissen verfüge man, so Klingenspor, über ein weiteres Tiermodell, das die Erforschung der Adipositas voranbringen werde. Die vom Atgl-Gen codierte Lipase namens Adipose Triglyceride Lipase (ATGL) spiele im Stoffwechsel von Mäusen und vermutlich auch von Menschen eine zentrale Rolle beim Abbau von Körperfett. Trotz der genetischen Einflüsse sei aber davon auszugehen, dass sich Fettleibigkeit in den meisten Fällen nicht allein auf die Gene zurückführen lässt, sondern als komplexe Wechselwirkung zwischen dem Erbmaterial und dem jeweiligen Lebensstil der Menschen aufzufassen ist.

Mäuse im Visier der Forscher

Ihre Messungen hatte die Arbeitsgruppe um Klingenspor in ihrem Marburger Labor durchgeführt, das zum "Neuronetz – Obesity and related disorders" des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gehört und sich auf die Erforschung von Ursachen und Folgen der Adipositas ("Fettleibigkeit") konzentriert.

Hier in Marburg und ebenso im "Metabolischem Labor" an der Deutschen Mausklinik werden genetisch veränderte Mäuse untersucht, um herauszufinden, wie sich das veränderte Erbgut auf den tierischen Energiehaushalt auswirkt. Hierfür beobachten die Wissenschaftler insbesondere Gewichtsentwicklung, Körperzusammensetzung, Energieverwertung, tageszeitliche Regulation der Körpertemperatur und den jeweiligen Energiebedarf. Unter anderem steht ihnen ein spezielles Röntgenverfahren zur Verfügung, das Daten über die Verteilung von Fettdepots im Körper von (narkotisierten) Mäusen liefert.

Freie Fettsäuren als Energielieferanten

Die Bedeutung des Atgl-Gens für den Fettstoffwechsel besteht darin, dass es für die Lipase ATGL (Adipose Triglyceride Lipase) codiert. ATGL kann Fett im Körper, wo es üblicherweise in Form von Triglyzeriden gespeichert wird, in freie Fettsäuren umwandeln. Freie Fettsäuren wiederum dienen dem Körper als Energielieferant. Knock- Out-Mäuse, deren Atgl-Gen ausgeschaltet ist, können kaum noch Triglyceride spalten, sodass ihre Fettdepots nicht mehr abgebaut werden können – sie setzen Fett an und werden adipös. Dieser Effekt war in den Untersuchungen der österreichisch-deutschen Kooperation so groß, dass es bis hin zu Herzversagen und frühzeitigem Tod der Versuchstiere kam.

Die ATGL-Lipase wird erst seit kurzem intensiv auf ihre Rolle für den Fettstoffwechsel hin untersucht, denn lange Zeit war fälschlicherweise angenommen worden, dass eine Lipase namens HSL (hormonsensitive Lipase) für den Abbau von Fettdepots im Körper verantwortlich ist.

(idw – Universität Marburg, 08.05.2006 – DLO)

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