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Genetik

Gendefekt schuld an seltener Erbkrankheit

Ursache des Goltz-Syndroms entdeckt

Krankhaft veränderte Haut mit charakteristischem Streifenmuster sowie stark unterschiedliche Fehlbildungen an Augen und Skelett gehören zu den äußerlichen Merkmalen des Goltz-Syndroms. Weltweit sind derzeit nur einige hundert Patienten bekannt, die daran leiden. Forscher haben jetzt die Ursache für diese seltene Erbkrankheit entdeckt.

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Neben äußerlich sichtbaren Merkmalen können beim Goltz-Syndrom auch Anomalien des zentralen Nervensystems, des Magen-Darm-Trakts und des kardiovaskulären Systems auftreten. Die auch als fokale dermale Hypoplasie (FDH) bezeichnete Erkrankung führt bei männlichen Embryonen fast immer schon vor der Geburt zum Tod. Betroffene Frauen hingegen haben meist eine normale Lebenserwartung; bei schwerer Ausprägung des Syndroms sterben Patientinnen aber schon im Kleinkindalter.

Nun konnte ein Team von Humangenetikern um Professor Dr. Karl-Heinz Grzeschik vom Zentrum für Humangenetik der Universität Marburg zusammen mit Ärzten aus der Klinik für Dermatologie und Allergologie die molekulare Ursache dieser ungewöhnlichen Erkrankung aufspüren. Über ihre Ergebnisse, die sie gemeinsam mit mehreren Partnern aus Deutschland sowie aus Argentinien, Italien und Ungarn erarbeiteten, berichten die Forscher in der Online-Ausgabe des internationalen Fachjournals Nature Genetics.

„Die Ursache des Goltz-Syndroms, das in verschiedenen Schweregraden auftritt, war bislang unbekannt“, erklärt Grzeschik. „Man erwartete aufgrund des Vererbungsmusters und des überwiegenden Auftretens bei Frauen lediglich, dass das verantwortliche Gen auf dem X-Chromosom lokalisiert sein müsste.“ Grund für das Syndrom, so steht nun fest, sind Mutationen im PORCN-Gen, das tatsächlich auf dem X-Chromosom liegt.

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Charakteristische Fehlbildungen in der Embryonalentwicklung

Dieses Gen kontrolliert die Funktion so genannter WNT-Proteine, die als Signalmoleküle in praktisch allen Bereichen der Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle spielen: Normalerweise verknüpft PORCN die WNT-Proteine mit einem Ankermolekül, das ihnen hilft, die Zellmembran zu durchqueren, um dann außerhalb der Zelle ihre Signalfunktion wahrzunehmen. „Wenn diese Proteine aber nicht aktiv werden können, kommt es im Laufe der Embryonalentwicklung zu den charakteristischen Fehlbildungen“, so der Humangenetiker.

Diese Entdeckung ist auch von unmittelbarer praktischer Bedeutung. „Nun können wir die Diagnose auch bei geringgradig betroffenen Frauen mit hoher Sicherheit stellen. Zudem ist für jene, die dies wünschen, die Möglichkeit der vorgeburtlichen Diagnostik gegeben.“ Darüber hinaus liefere die Aufklärung des Goltz-Syndroms Erkenntnisse über die „richtige“ Funktionsweise des PORCN-Gens: „Wir Genetiker leben gewissermaßen davon, Mutanten zu analysieren“, so Grzeschik. „Aus der Fehlfunktion von PORCN können wir nun auf regulatorische Prozesse schließen, die große Bedeutung bei der Embryonalentwicklung haben.“

Der Schweregrad und die konkrete Ausprägung des Goltz-Syndroms lassen sich bislang allerdings nicht vorhersagen. Als X-chromosomal dominante Erbkrankheit ist es unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sich die Zahl der Zellen, in denen sich die Signalstörung ausprägt, von Patientin zu Patientin stark unterscheidet. In jeder einzelnen Zelle nämlich wird noch früh im Embryonalzustand eines der beiden X-Chromosomen inaktiviert: Nach dem Zufallsprinzip wird dabei mal das mutierte Gen ausgeschaltet, mal das gesunde. Zellen mit der Mutation sind also überall im Körper anzutreffen, führen aber nur dort zu krankhaften Veränderungen, wo in einem Gewebebereich das zweite, intakte Gen ausgeschaltet ist.

(idw – Universität Marburg, 08.06.2007 – DLO)

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