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Medizin

Gendefekt mitverantwortlich für Herzschwäche

Erbgutvariation verhindert Blockade eines wichtigen Enzyms

Berliner Forscher haben Variationen in einem Gen entdeckt, die zusammen mit Bluthochdruck Herzschwäche auslösen. Das Gen, kurz Ephx2, produziert ein Enzym, das normalerweise körpereigene Substanzen abbaut, die der gesunde Körper nicht benötigt.

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Im Notfall werden sie jedoch nicht beseitigt, sondern schützen das Herz. Die Variationen in dem Gen führen aber dazu, dass das Enzym die rettenden Substanzen, obwohl sie benötigt würden, weiter zerstört, so die Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und der Charité – Universitätsmedizin Berlin/Helios Klinikum Berlin-Buch zusammen mit Kollegen aus der Schweiz, England und den USA im Fachjournal Nature Genetics.

Die Forscher um Dr. Jan Monti, Professor Friedrich Luft und Professor Norbert Hübner hoffen, dass die neuen Ergebnisse zu Fortschritten bei der Diagnose und Therapie von Herzinsuffizienz führen.

47.000 Tote durch Herzschwäche

Im Jahr 2006 sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes über 47.000 Menschen in Deutschland an Herzschwäche gestorben. Damit liegt diese Erkrankung nach der Verengung der Blutgefäße im Herzen und dem Herzinfarkt auf Platz drei der häufigsten Todesursachen.

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Meist entwickelt sich die Herzinsuffizienz über einen längeren Zeitraum und tritt beim Menschen erst im Alter auf. Das Herz kann dann nicht mehr genug Blut in den Körper pumpen. Der Herzmuskel vergrößert sich, um diesen Mangel auszugleichen. Häufig kommt es vor, dass das Herz die erhöhte Pumpleistung nicht mehr schafft und es zum Herzstillstand kommt. Ein Hauptrisikofaktor ist dabei Bluthochdruck.

„Dennoch führt Bluthochdruck nicht bei allen Patienten zu einer Herzschwäche“, erläutert der Charité-Forscher Monti das Phänomen. „Bluthochdruck verursacht eine Vorschädigung des Herzens und erhöht lediglich das Risiko an Herzschwäche zu erkranken. Ein weiterer Faktor muss eine Rolle spielen.“

Ratten helfen weiter

Auf die richtige Spur bei der Suche nach den Ursachen brachten die Forscher Ratten. Es gibt einen Stamm (SHRSP), dessen Tiere zwar unter Bluthochdruck leiden, aber keine Herzschwäche ausbilden. Bei Ratten eines zweiten Stammes (SHHF) hingegen tritt die Herzschwäche als Folge des Bluthochdrucks auf.

Ein Vergleich beider Stämme ergab, dass SHHF- Ratten bestimmte genetische Variationen besitzen, die den SHRSP- Ratten, die nicht an Herzschwäche erkranken, fehlen. Wissenschaftler nennen diese Variationen kurz SNPs (single nucleotide polymorphisms) – einzelne DNA-Bausteine, die in einem Gen, das die Bauanleitung von Enzymen enthält, verändert sind. „Die SNPs in dem Gen Ephx2 führen in den SHHF-Ratten zu einer vermehrten Produktion des Enzyms Epoxidhydrolase“, erklärt Hübner, Genomforscher am MDC.

Abbau rettender Substanzen

Im gesunden Körper baut die Epoxidhydrolase körpereigene Substanzen (Epoxide) ab, die in Gefahrensituationen das Herz schützen. Tritt wie bei Bluthochdruck eine Überlastung des Herzens auf, blockiert der Körper das Enzym und die Epoxide können ihre unterstützende Wirkung entfalten.

„Die von uns beobachtete Genvariation verhindert jedoch die Blockade des Enzyms“, führt Hübner weiter aus. Durch die Variation ist die Epoxidhydrolase auch bei Überlastungen des Herzens aktiv und baut fatalerweise die helfenden Epoxide ab. „Die Selbsthilfe des Körpers fällt damit weg“, sagt er. Ohne Epoxide kann jetzt bei Bluthochdruck eine Herzschwäche entstehen.

Weiter Weg bis zur Umsetzung in die Klinik

Die Epoxidhydrolase stand schon lange im Verdacht, eine Rolle bei der Entstehung der Herzinsuffizienz zu spielen. „Doch ein Kandidatengen ist noch kein Beweis“, sagt Professor Luft, einer der Koautoren der Publikation. Es hat mehr als vier Jahre gedauert, bis die Forscher das dazugehörige Gen identifizieren konnten.

Die Forscher hoffen jetzt auf die Entwicklung neuer Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. „Erste Tests mit Epoxidhydrolase-Hemmern werden an Tieren bereits durchgeführt“, so Monti. „Der Weg in den Klinikalltag ist jedoch noch lang.“

(idw – Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, 29.04.2008 – DLO)

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