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Genetik

Genaktivität: die Verpackung entscheidet

Mausmodell für gestörten Histonstoffwechsel etabliert

Auf die Verpackung kommt es an – dieses Motto gilt auch für unsere Gene. Denn die Hüllproteine entscheiden auch darüber, ob und welche Gene aktiv oder inaktiv sind. Jetzt haben Wissenschaftler einen Mäusestamm gezüchtet, dem ein Verpackungsenzym fehlt und an dem sich daher besonders gut die Auswirkungen dieser Hüllen unter anderem für die Krebsentstehung studieren lassen.

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Gene liegen im Zellkern meist sorgfältig verpackt vor: Die entsprechenden Abschnitte der fadenförmigen DNA werden Platz sparend um kleine Proteine – die Histone – gewickelt. Nicht aktive Gene sind dabei oft besonders dicht verpackt. Durch bestimmte Enzyme – so genannte Histon-Acetyltransferasen (HAT) – wird die Bindung der Histone an die DNA vermindert, sodass die Gene entpackt und aktiviert werden können. Gegenspieler der HATs sind die Histondeacetylasen (HDACs), die die Verpackung und Inaktivierung von Genen verstärken und an vielen regulatorischen Prozessen beteiligt sind. Mäuse, die keine HDACs produzieren, sind wertvolle Modellorganismen, die verstehen helfen, welche Bedeutung HDACs für die Entstehung von Krankheiten haben, und welcher Nutzen von HDAC-hemmenden Medikamenten zu erwarten ist.

Mäuse ohne Verpackungsenzym

Wissenschaftlern des GSF – Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) gelang es nun, eine Mauslinie zu erstellen, bei der das Gen für die Produktion einer der HDACs, der Histondeacetylase 2 (HDAC2), ausgeschaltet ist. Die Folgen dieses Defekts machen die Mäuse sowohl für die Krebs- als auch für die Herzforschung interessant. „Es gibt elf klassische Deacetylasen. Die Kunst ist, herauszufinden, welche Deacetylasen welche Prozesse kontrollieren“, erklärt Professor Martin Göttlicher, der Leiter des GSF-Instituts für Toxikologie, der gemeinsam mit Wissenschaftlern des GSF-Instituts für Entwicklungsbiologie (IDG) die Etablierung der HDAC2-defizienten Mauslinie anregte.

Göttlicher selbst interessiert sich für Regulationsmechanismen, die zur Entstehung von Dickdarmtumoren führen – hier spielt HDAC2 wohl eine Rolle. Bereits von einigen anderen Tumoren ist bekannt, dass die durch Histondeacetylase verstärkte Verpackung offenbar Gene inaktivierte, die normalerweise die Zellen in den programmierten Zelltod (Apoptose) treiben. HDAC-Inhibitoren könnten eventuell die Apoptose wieder aktivieren und so das Tumorwachstum stoppen.

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Abnormales Herzwachstum durch zuviel verpackte Gene?

HDAC2 ist aber auch noch an anderen Prozessen beteiligt, zum Beispiel beim Wachstum von Herzzellen. Deshalb kooperieren die GSF-Wissenschaftler auch mit einer amerikanischen Forschergruppe um Professor Jonathan Epstein von der Universität von Pennsylvania, die besonders diesen Aspekt untersucht. Gemeinsam berichten die Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift Nature Medicine, dass HDAC2 bei der Entstehung einer krankhaften Vergrößerung des Herzens – der Herzhypertrophie – eine Rolle spielt.

Wird das Herz zum Beispiel durch Stress oder Überanstrengung überlastet, reagiert es durch Wachstum – es wird immer größer, dabei aber nicht effizienter. Letztendlich kann dies zur Herzinsuffizienz führen. Offensichtlich ist HDAC2 an dieser tödlichen Spirale beteiligt, denn die HDAC2-defizienten Mäuse zeigten auch bei starker Belastung keine Vergrößerung des Herzens. HDAC2 greift in einen Signalweg ein, der notwendig ist, um das hypertrophe Wachstum auszulösen. „Wenn man einen Weg findet, HDAC2 spezifisch zu hemmen, kann man eventuell ein Medikament gegen diese Krankheit entwickeln“, hofft Göttlicher.

Enzym mit Vor- und Nachteilen

Man darf nun aber nicht schließen, dass HDAC2 Aktivität ausschließlich nachteilig ist“, erklärt Dr. Thomas Floss (IDG), der die Mauslinie mit Hilfe der an der GSF gut etablierten Gene-Trap-Technologie erstellte: „Die Mäuse zeigen ohne HDAC2 verschiedene Beeinträchtigungen, sie sind beispielsweise deutlich kleiner als ihre Wildtyp-Geschwister“. Offensichtlich greift HDAC2 – wie alle Histondeacetylasen – in fein abgestimmte Regelkreise ein.

Deshalb ist es für potenzielle therapeutische Ansätze vermutlich wichtig, Hemmstoffe zu finden, die nur ganz bestimmte HDACs selektiv ausschalten. „Die Frage ist, mit welchen einzelnen HDACs man interferieren muss, um Krankheiten zu bekämpfen, ohne dass andere für die Gesundheit wichtige Prozesse gestört werden“, betont Göttlicher – und die GSF-Mäuse sollen helfen, diese Frage zu lösen.

(GSF, 08.03.2007 – NPO)

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