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Biologie

Geier gucken bei Adlern ab

Aasfresser nutzen Adler als "Futterscouts" um frische Kadaver zu finden

Ein afrikanischer Geier im Anflug © Darcy Ogada

Fliegende Schnorrer: Afrikanische Geier nutzen Adler als „Futterscouts“ und lassen sie die mühsame Suche nach Aas erledigen. Sie beobachten die Adler auf ihren Flügen und warten, bis diese einen Kadaver entdeckt und am besten auch schon verzehrfertig aufgebrochen haben, wie britische Biologen entdeckten. Das aber bedeutet: Verschwinden in einem Gebiet die Adler, leiden auch die bedrohten Geier.

Als Aasfresser sind Geier quasi die fliegende Entsorgungstruppe der Natur – und dies sehr effektiv. Denn hat ein Geier einen Kadaver gesichtet, finden sich sehr schnell auch weitere ein. „Im Flug halten sie dafür visuellen Kontakt mit ihren Artgenossen. Entdeckt dann einer einen Kadaver und landet, bemerken dies die anderen schnell“, erklären Adam Kane vom Trinity College Dublin und seine Kollegen. In ihrer Studie wollen die Forscher nun herausfinden, ob Geier auch artübergreifend „abgucken“, wo eine lohnende Mahlzeit zu finden ist.

Tote Huftiere als „Köder“

Dafür legten die Forscher in der Nähe des Makpala Forschungszentrum in Kenia Kadaver von toten Huftieren aus. In diesem Gebiet leben neben dem Weißrückengeier (Gyps africanus) und dem Sperbergeier (Gyps rueppellii) auch zwei Adlerarten – der Steppenadler (Aquila nipalensis) und der Savannenadler (Aquila rapax). Die beiden Adlerarten jagen normalerweise lebende Beute, verschmähen aber auch Aas nicht, wenn sie es zufällig finden.

Mit Hilfe von Überwachungskameras filmten die Forscher, welche Vögel jeweils zuerst den ausgelegten Kadaver entdeckten und wie schnell ein Vertreter der jeweils anderen Vogelgruppe zur Stelle war. Auch wer den daraufhin ausbrechenden Streit initiierte und gewann, untersuchten die Forscher anhand der Aufnahmen.

Meist erspähten die Adler den Kadaver zuerst, erst dann kamen auch die Geier. © Darcy Ogada

Geier als „Schnorrer“

Das Ergebnis war eindeutig: In den meisten Fällen traf eine der beiden Adlerarten zuerst bei dem Kadaver ein, unmittelbar gefolgt vom ersten Geier. Dieser war so schnell zur Stelle, dass dies kein Zufall sein kann, wie statistische Auswertungen ergaben: Die Geier müssen den Adlern absichtlich gefolgt sein. „Unsere Videos bestätigten, dass die Adler mit Hilfe ihrer scharfen Sicht die Kadaver finden, während die Geier diese Information einfach erschnorren und ihnen zum Aas folgen“, erklärt Kane.

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Und nicht nur das: Am gedeckten Tisch angelangt, warten die Geier auch solange ab, bis die Adler mit ihren Schnäbeln den Kadaver aufgerissen haben. Erst dann drängen sie heran und versuchen die Adler von der Beute zu vertreiben – meist mit Erfolg. Zwar beobachteten die Biologen auch ein paar Mal den umgekehrten Fall, dass ein Adler einem Geier folgte, doch sehr viel häufiger waren die Geier die „Schnorrer“.

Problem Aufwinde

Der Grund dafür ist naheliegend: Die großen Geier benötigen thermische Aufwinde, um sich im Gleitflug durch die Luft tragen zu lassen, wie die Forscher erklären. Doch gerade früh am Morgen sind diese Aufwinde noch rar. Um ein großes Gebiet abfliegen zu können, müssten sie daher auf flatternden Flug umsteigen – und das kostet viel Energie. Adler dagegen nutzen eine andere Flugtechnik und können daher auch ohne Aufwinde große Gebiete abfliegen.

„Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie einen frischen Kadaver vor den Geiern entdecken“, so Kane und seine Kollegen. Die Geier wiederum scheinen gelernt zu haben, nicht nur von ihresgleichen abzugucken, sondern auch das Verhalten der Adler genau zu beobachten – und zu erkennen, wann diese Aas gefunden haben.

Wichtig für den Geierschutz

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein sozialer Transfer von Informationen zu wichtigen Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Arten führen kann“, konstatieren die Forscher. Die bedrohten Geier dürfen daher nicht nur als isolierte Art betrachtet und geschützt werden, sondern es müssen auch andere Arten berücksichtigt werden – in diesem Fall die Adler. Denn wenn diese verschwinden oder zu stark gejagt werden, dann leiden auch die Geier darunter: Sie verlieren ihre wichtigsten Futter-Scouts. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2014; doi: 10.1098/rspb.2014.1072)

(Royal Society / Trinity College Dublin, 10.09.2014 – NPO)

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