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Biologie

Füße: Der Vorteil der Hornhaut

Verhornte Sohlen schützen, aber bewahren gleichzeitig die Empfindsamkeit für taktile Reize

Fußhornhaut
Wer viel barfuß geht, hat eine ausgeprägte Hornhaut unter den Füßen. © Daniel Lieberman

Raffiniertes Patent der Natur: Eine dicke Hornhaut schützt unsere Füße ähnlich wie Schuhe – doch die Sohlen bleiben dabei erstaunlich empfindsam. Wie Analysen der Füße von Barfußgehern und Schuhträgern zeigen, schränken stark verhornte Sohlen die taktile Wahrnehmung beim Gehen und Rennen keineswegs ein. Modernes Schuhwerk mit seinen oft dicken und gut gedämpften Absätzen behindert das „Fußgefühl“ dagegen deutlich.

Hornhaut unter den Füßen gilt heute oftmals als Schönheitsmakel, der mit Creme, Bimsstein und Raspel bekämpft werden muss. Dabei sind die verdickten Hautstellen ein raffinertes Patent der Natur: Für unsere Vorfahren waren die Fußsohlen lange Zeit das einzige zwischen ihnen und dem Boden – Schuhe erfanden sie wahrscheinlich erst vor rund 40.000 Jahren. „Schwielen waren die evolutionäre Lösung, um die Füße beim Gehen zu schützen“, erklären Nicholas Holowka von der Harvard University in Cambridge und seine Kollegen.

Moderne Schuhe bieten einen mindestens ebenso guten, wenn nicht sogar besseren Schutz. Doch gleichzeitig schränken sie die Wahrnehmung taktiler Reize ein: In dick besohltem Schuhwerk spüren wir von der Beschaffenheit des Untergrunds kaum etwas. Behindert dicke Hornhaut die Empfindsamkeit der Füße womöglich auf ähnliche Weise?

Dicker und härter

Um dies herauszufinden, hat das Forscherteam um Holowka nun die Fußsohlen von 81 Kenianern und 22 US-Amerikanern unter die Lupe genommen – darunter Barfußgeher und Schuhträger. Ultraschallmessungen offenbarten, dass sich die Sohlen beider Gruppen deutlich voneinander unterschieden. Demnach hatten regelmäßige Barfußgeher eine rund 30 Prozent dickere Hornhaut unter ihren Füßen. Zudem war die Haut an ihren Fußsohlen erwartungsgemäß härter, wie weitere Messungen zeigten.

Doch was bedeutet dies für die taktile Wahrnehmung? Das untersuchten die Wissenschaftler mithilfe eines speziellen Geräts, welches die Empfindlichkeit sogenannter Mechanorezeptoren in den tiefen Schichten der Haut erfassen kann: den Meissner- und den Vater-Pacini-Körperchen. Diese Rezeptoren reagieren auf hochfrequente Druck- und Vibrationsreize und vermitteln uns wichtige Sinnesinformationen beim Gehen und Rennen.

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Erstaunlich empfindsam

Überraschenderweise ergaben die Untersuchungen: Die Sensitivität der Mechanorezeptoren war bei den meist barfuß gehenden Probanden nicht geringer als bei den Studienteilnehmern, die normalerweise Schuhe trugen. Die Hornhaut schien die Übertragung der Reize nicht zu behindern. „Im Gegensatz zu Schuhen tauscht eine dicke Hornhaut keineswegs Schutz gegen Empfindsamkeit ein“, konstatieren Holowka und seine Kollegen.

Und noch etwas unterscheidet Schuh- von verhornten Fußsohlen: Dick besohlte und stark gedämpfte Schuhe verändern die Kräfte, die beim Laufen auf die Gelenke wirken – und zwar anders als erwartet. Wie die Forscher herausfanden, werden die Gelenke in solchen Schuhen offenbar stärker belastet als beim Barfußgehen: Es wirkt mehr Energie auf sie. Welche Folgen dies für den Körper haben kann, sei unbekannt.

Harte Sohlen als Vorteil?

Trotz allem sollten wir Schuhe nicht grundsätzlich verteufeln. „Wie zahlreiche andere kulturelle Innovationen haben Schuhe viele Vorteile. Doch Schutz, Bequemlichkeit und modischer Stil haben eben auch ihren Preis“, resümieren die Wissenschaftler. Viele Menschen wollen ihre Schuhe trotz der nun dokumentierten Nachteile wahrscheinlich nicht missen. „Die Frage ist daher nicht ob, sondern welche Schuhe wir tragen sollten“, schreibt Kristiaan D’Août von der University of Liverpool in einem Kommentar zur Studie.

Holowka und sein Team schlagen vor, in Zukunft die Vor- und Nachteile von Tretern mit vergleichsweise harten, dünnen und ungedämpften Sohlen genauer zu erforschen. „Solche Schuhe könnten ähnliche Eigenschaften haben wie eine dicke Hornhaut – anders als die stark gedämpften Schuhe, die seit der Erfindung von Gummi- und Schaumstoffabsätzen zunehmend Verbreitung gefunden haben“, sagen die Forscher.

Sinnvoller Schuhwechsel

Bestätigt sich diese Vermutung, könnte der Wechsel zu solchem Schuhwerk zumindest für einige Bevölkerungsgruppen sinnvoll sein, wie D’Août erklärt. Ein gutes „Fußgefühl“ zu haben, sei nicht nur für manche Sportler wichtig, sondern zum Beispiel auch für ältere Menschen. „Tatsächlich gibt es bereits Hinweise darauf, dass Schuhe mit harten Sohlen bei Senioren das Sturzrisiko minimieren“, schließt der Wissenschaftler. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1345-6)

Quelle: Nature Press

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