Die Männchen des Dreistachligen Stichlings erkennen von Konkurrenten besamte Eier am Geruch. Sind zu viele fremde Eier im Nest, werden die Fische bei der Brutpflege zu Kannibalen und fressen gleich das gesamte Gelege auf. Dieses jetzt in der Zeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlichte Phänomen ist vermutlich mit „Energiesparmaßnahmen“ der brutpflegenden Väter zu erklären.
Im Fischreich sind die Geschlechterrollen oftmals anders verteilt, als man vielleicht erwarten würde. Bei den Stichlingen sind es die Männchen, die sich um die befruchteten Eier des Weibchens kümmern, bis der Nachwuchs geschlüpft ist. Sie fächelns den Eiern rund um die Uhr frisches, sauerstoffreiches Wasser zu. Doch sehr häufig werden diese Fische bei der Brutpflege zu Kannibalen. Einen Grund hierfür fand nun die Biologin Marion Mehlis vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn heraus.
Im Rahmen ihrer Diplomarbeit schob Mehlis männlichen Dreistachligen Stichlingen in unterschiedlichen Mengen Eier unter, die von einem anderen Männchen besamt worden waren. Die so betrogenen Fische schienen zunächst nichts zu merken und kümmerten sich meist noch einige Tage aufopferungsvoll um ihre Brut. Dann allerdings registrierten viele von ihnen, dass etwas nicht stimmte, und fraßen das Gelege teilweise oder sogar komplett auf.
Eier riechen zu fremd
Je mehr „Kuckuckseier“ im Nest lagen, desto häufiger fraßen die betrogenen Väter ihre komplette Brut. „Der Dreistachlige Stichling ist also dazu in der Lage, die Anzahl der fremdbefruchteten Eier in seinem Nest richtig einzuschätzen“, schließt Mehlis daraus. Dabei spielt vermutlich der Geruch
eine wichtige Rolle: Anscheinend ändert sich das Duftprofil befruchteter Eier im Laufe ihrer Entwicklung und somit der Brutpflegephase.
Die Forscher vermuten, dass der Fisch in der Lage ist, anhand des genetisch bedingten Duftes die Zahl der fremden Eier abzuschätzen. Das klappt aber augenscheinlich erst gegen Ende des Brutzyklus. Optische Merkmale spielen bei der Identifizierung der fremdbefruchteten Eier dagegen wohl eine untergeordnete Rolle, erläutert Mehlis: „Das Nest befindet sich kaum sichtbar am dunklen Boden und ist umgeben von Algen und Wasserpflanzen. Hinzu kommt, dass die Fischeier eher klein sind.“
Kannibalismus zur Selbsterhaltung
Und warum das Ganze? Für den kleinen Fisch ist die Brutpflege körperlich sehr anstrengend, so dass er schnell an Kondition verliert und oft nach dem Ende der Brutpflegesaison stirbt. Aus diesem Grund lohnt sich dieser Aufwand nicht, wenn der Anteil an fremdbefruchteten Eiern im eigenen Nest zu hoch ist: In diesem Falle macht es für den Stichling mehr Sinn, das Gelege zu fressen und einen neuen Versuch zu starten.
Daher ist dieser Kannibalismus reiner Selbsterhaltungstrieb: „Die Fische können sonst nicht genügend Energie für den nächsten Brutzyklus aufbringen“, erklärt Mehlis. Erstaunlicherweise machten die Kannibalen auch vor eigenen Eiern nicht halt. Eventuell reicht der Geruch nicht aus, um einzelne Eier zu unterscheiden. Wenn das Nest insgesamt zu „fremd“ riecht, wird es zerstört – auch wenn der Stichling dabei seine eigenen Kinder frisst.
(Universität Bonn, 19.05.2010 – NPO)