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Medizin

Forscher entdecken in Asien neue aidsähnliche Immunschwäche

Ursache und Auslöser der Krankheit sind bisher unbekannt - Viren können ausgeschlossen werden

Mycobacterium fortuitum, ein Beispiel für ein schnellwachsendes, nichttuberkulöses Mykobakterium. Die neu entdeckte Immunschwäche schient Infektionen mit Mykobakterien zu begünstigen. © Janice Haney Carr / CDC

Mediziner haben eine bisher unbekannte Immunschwäche entdeckt, deren Symptome denen bei Aids ähneln. Ihre Entstehung ist jedoch rätselhaft: Sie wird jedoch weder von einem Virus wie HIV verursacht noch scheint sie vererbt zu werden. Ansteckend ist sie offenbar ebenfalls nicht. Meist tritt sie im Erwachsenenalter auf und ist gekennzeichnet durch ständig wiederkehrende Infektionen verschiedenster Art, die den gesamten Organismus betreffen. Bisher konnten die Mediziner knapp 100 Fälle identifizieren, die vor allem in Thailand und Taiwan auftraten. Vermutlich gebe es jedoch eine Vielzahl von Fällen, bei denen die Immunschwäche fälschlicherweise für Tuberkulose oder eine andere Infektionskrankheit gehalten werde, ist Studienleiterin Sarah Browne vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in Bethesda, USA, überzeugt. Sie und ihre Kollegen stellen das Syndrom im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ vor.

Vereinzelte Berichte seit 2004

Auf die Krankheit aufmerksam wurden die Forscher durch Berichte über eine fortgeschrittene Immunschwäche bei 25 Erwachsenen, hauptsächlich aus Ostasien, die einer HIV-Infektion ähnelten, ohne dass sich das Virus jedoch nachweisen ließ. Später seien noch weitere Fallserien aus Thailand und Taiwan dazugekommen, berichtet das Team. Vielfach litten die Betroffenen an Infektionen mit Mycobakterien, einer Gruppe von Mikroorganismen, zu denen auch der Lepra- und der Tuberkulose-Erreger gehört und die typischerweise Menschen mit geschwächtem Immunsystem befallen.

Um das Syndrom genauer charakterisieren zu können, rekrutierten die Wissenschaftler insgesamt 203 Patienten in thailändischen und taiwanesischen Universitätskliniken. Gut 100 von ihnen dienten als Kontrollgruppe. Bei den restlichen traten wiederholt unerklärte Infekte mit verschiedenen Erregern auf, deren Spektrum dem bei HIV-Patienten ähnelte. Alle Teilnehmer wurden sorgfältig untersucht und zum Teil mit Antibiotika behandelt.

Immunsystem bekämpft seine eigenen Botenstoffe

Es gab eine charakteristische Besonderheit, die diese Fälle gemeinsam hatten, zeigte die Auswertung: Bei allen ließen sich ungewöhnliche Antikörper im Blut nachweisen. Sie richteten sich gegen Interferon-Gamma, einen wichtigen Botenstoff der Körperabwehr, der nach einer Infektion gebildet wird und die Immunzellen aktiviert, damit der Eindringling bekämpft werden kann. Wird er durch Antikörper abgefangen, kann er dieser Aufgabe nicht mehr nachkommen. Die Folge ist eine extreme Anfälligkeit für Infektionen mit Viren, Bakterien und Pilzen, wie sie auch die Betroffenen zeigten.

Was die Produktion der fehlgeleiteten Antikörper auslöst, ist bisher völlig unklar. Eine genetische Veranlagung, bei der ein einzelnes Gen defekt ist, könne ausgeschlossen werden, sagt das Team – es gebe keine familiäre Häufung, und auch das späte Auftreten der Krankheit im fortgeschrittenen Erwachsenenalter spreche dagegen. Es könnte sich um eine frühere Infektion handeln, bei der die Immunantwort außer Kontrolle geriet und infolgedessen anschließend falsche Antikörper bildete, spekulieren sie. Da jedoch alle bisher identifizierten Betroffenen Asiaten waren, erscheine es naheliegend, dass es eine komplexe genetische Veranlagung gebe, die – alleine oder in Kombination mit bestimmten Umweltfaktoren – zur Produktion der fatalen Antikörper führe.

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Man habe ursprünglich angenommen, es handele sich bei den ersten Berichten nur um Einzelfälle, ergänzt Sarah Browne. Jetzt sei jedoch klar, dass es eine große Gruppe von Betroffenen gebe. Sie und ihre Kollegen tauften die neue Krankheit „Adult-Onset Immunodeficiency Syndrome“, übersetzt etwa „Im Erwachsenenalter einsetzendes Immunschwäche-Syndrom“.(doi: 10.1056/NEJMoa1111160)

(New England Journal of Medicine, 24.08.2012 – ILB)

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