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Neurobiologie

Facebook-Posts bleiben besser im Gedächtnis

Spontane Sprache und sozialer Kontext lassen Einträge besser haften als Bücher oder Gesichter

Menschen erinnern sich an Facebook-Posts besser als an Gesichter oder Sätze aus Büchern. Das klingt erstaunlich, gilt aber offenbar selbst dann, wenn die Einträge aus dem Zusammenhang gerissen und aller Bilder beraubt wurden. Das jedenfalls ergab ein Experiment von Forschern aus England und den USA. Sie vermuten, dass es die natürliche Sprache und der soziale Kontext der Posts sind, die unsere Erinnerung stärken. Wir merken uns solche lockeren Mitteilungen besser als die ausformulierte Schriftsprache aus einem Buch, so die These der Wissenschaftler im Fachmagazin „Memory & Cognition“.

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Facebook und Co. erfreuen sich nach wie vor wachsender Beliebtheit. Für viele gehört der regelmäßige Blick in das soziale Netzwerk heute schon genauso dazu wie der Blick ins E-Mail-Postfach. Weltweit posteten Menschen im letzten Jahr 30 Millionen Facebook-Einträge pro Stunde. „Es ist einfach, diese Posts als trivialen Tratsch abzutun, den wir ohnehin sofort wieder vergessen“, sagen Laura Mickes von der University of Warwick und ihre Kollegen. Ob das wirklich so ist, dieser Frage sind die Forscher in mehreren Experimenten nachgegangen.

„Irgendetwas muss an solchen Mikroblogging-Posts ja dran sein, sonst wären sie nicht so beliebt“, erklären die Wissenschaftler. „Wenn die Einträge wirklich so inhaltsleer sind wie viele meinen, dann müssten sie auch schnell aus dem Gedächtnis ihrer Leser verschwinden.“ Möglicherweise aber, so postulieren die Forscher, repräsentiert dieser ungefilterte, natürliche Ausdruck unseres Befindens – so irrelevant er auch scheinen mag – eine Form der Kommunikation, auf die wir als soziale Wesen besonders gut ansprechen. Dann könnte es sein, dass solche Posts sogar besonders gut in unserem Gedächtnis bleiben – weil sie natürlichen Ausdrucksformen wie dem Gespräch besonders nahe kommen.

Besser als Bücher und Gesichter

Für ihre Studie hatten die Forscher Text aus Facebook-Einträgen kopiert und alle persönliche Informationen und Bilder daraus entfernt. Als Vergleich entnahmen sie zudem zufällig ausgewählte Sätze aus verschiedenen Büchern. Beide Arten von Texten wurden Freiwilligen vorgelegt und diese sollten sich so viele wie möglich davon merken. Das Ergebnis: Die Probanden merkten sich die Facebook-Einträge eineinhalb Mal besser als Sätze aus Büchern. Und in einem zweiten Test war das Ergebnis noch deutlicher: Die Posts blieben doppelt so gut in der Erinnerung der Probanden wie Fotos von menschlichen Gesichtern, die sie zum Vergleich angeschaut hatten.

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„Wir waren wirklich überrascht, als wir sahen, wie viel besser die Erinnerung an die Facebook-Einträge im Vergleich zu anderen Eindrücken war“, sagt Mickes. Der Unterschied zwischen Facebook und dem Rest sei vergleichbar mit dem zwischen Menschen mit normalem Gedächtnis und krankhafter Vergesslichkeit.

Geeicht auf soziale Information

In einem weiteren Satz von Tests untersuchten die Forscher die mögliche Ursache für diesen erstaunlichen Effekt. Sie prüften, ob Facebook-Postings vielleicht deshalb so einprägsam sind, weil sie kohärente und vollständige Gedanken darstellen. Sie verglichen zu diesem Zweck die Erinnerung an Schlagzeilen aus der Zeitung und Sätzen aus Einträgen mit Leserkommentaren, Nachrichten und Unterhaltungsartikeln. Die Analyse zeigte, dass die Leserkommentare am einprägsamsten waren.

„Das erscheint einem gar nicht so verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, wie wichtig soziale Beziehungen und darauf bezogenen Mitteilungen einst für das Überleben unserer Vorfahren waren“, erklärt Christine Harris von der University of Warwick. Es mache daher Sinn, dass auch unser Gedächtnis besonders darauf ausgerichtet sei, die Aktivitäten und Informationen von Menschen in unserem Umfeld zu beachten.

Spontane Sprache bleibt eher haften

Und noch etwas macht es besonders leicht, die Facebook-Postings im Gedächtnis zu behalten, wie ein weiterer Test ergab: Je weniger förmlich und ausformuliert ein Eintrag ist, und je näher er der gesprochenen Sprache kommt, desto eher wird er behalten. „Je lockerer und uneditierter, desto eher bleibt es in unserem Gehirn hängen“, erklärt Mickes. Ein Post bei Facebook oder einem anderen Netzwerk sei spontan und genau deshalb gut erinnerbar. „Die modernen Technologien ermöglichen es schriftlichen Mitteilungen, der gesprochenen, lockeren Sprache wieder ähnlicher zu werden als die sorgsam durchkomponierten Briefe oder Bücher früherer Zeiten“, so die Forscherin.

Nach Ansicht der Forscher könnten diese Erkenntnisse auch im Bereich der Bildung nützlich sein. „Natürlich sagen wir nicht, dass ganze Lehrbücher nun als Tweets oder Facebook-Posts geschrieben sein sollen“, betonen die Wissenschaftler. Aber beispielsweise bei Präsentationen oder Vorträgen könnte es ihrer Ansicht nach durchaus helfen, eine persönliche, lockere Sprache zu verwenden. (Memory & Cognition, 2013; doi:10.3758/s13421-012-0281-6)

(University of Warwick, 16.01.2013 – NPO)

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