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Evolution

Erster Kinderschädel des Homo naledi

Forscher finden mehr als 250.000 Jahre alten Schädel eines etwa sechsjährigen Frühmenschen-Kindes

Homo naledi
Dieser teils rekonstruierte Kinderschädel ist mehr als 250.0000 Jahre alt und stammt von einem Kind der Frühmenschen-Art Homo naledi. © University of the Witwatersrand

Spektakulärer Fund: In einer Höhle in Südafrika haben Forscher erstmals den Schädel eines Homo-naledi-Kindes entdeckt – eines noch immer rätselhaften Frühmenschen. Der in Stücke gebrochene Schädel ist rund 250.000 Jahre alt und stammt von einem rund sechsjährigen Kind. Der Fund ist der erste Schädel eines Homo naledi im Kindesalter und gibt daher einzigartige Einblicke in die Entwicklung dieser Frühmenschen. Warum der Rest des Skeletts fehlt und weshalb so viele Naledi-Überreste in der Höhle gefunden wurden, ist jedoch unbekannt.

2013 entdeckten Anthropologen in den Tiefen der Rising-Star-Höhle in der Nähe von Johannesburg erstmals die Fossilien einer unbekannten Frühmenschenart, Homo naledi getauft. Die von rund zwei Dutzend Individuen stammenden Relikte wiesen ein ungewöhnliches Mosaik archaischer und fortgeschrittener Merkmale auf und wurden auf ein Alter zwischen 241.000 und 335.000 Jahren datiert – einer Zeit, in der im Norden Afrikas vermutlich schon die ersten Vertreter des Homo sapiens existierten.

Höhle
Die Passagen der Rising-Star-Höhle sind extrem eng und verwinkelt. © University of the Witwatersrand

„Homo naledi ist noch immer einer der rätselhaftesten Verwandten des Menschen, der je entdeckt wurde“, sagt Projektleiter Lee Berger von der University of the Witwatersrand. „Es handelt sich klar um eine primitive Spezies, die aber zu einer Zeit lebte, in der unseren Vorstellungen nach nur noch anatomisch moderne Menschen in Afrika vorkommen sollten.“

Schädelfund in einer entlegenen Höhlenpassage

Jetzt gibt es eine neue Entdeckung: Berger und sein Team haben erstmals den Schädel eines Kindes von Homo naledi in der Rising-Star-Höhle entdeckt. Das „Leti“ getaufte Fossil wurde in einer entlegenen Engstelle der Höhle gefunden, die noch einmal zwölf Meter tiefer liegt als die Dinaledi-Kammer, in der die ersten Fossilien des homo naledi entdeckt worden waren. „Das Areal, in dem Leti gefunden wurde, ist Teil eines wahren Spinnennetzen von engen Passagen“, berichtet Teammitglied Maropeng Ramalepa.

Der Schädel des bei seinem Tod etwa sechsjährigen Kindes war in 28 Stücke zerbrochen und wies noch sechs intakte Zähne auf. Erhalten sind unter anderem die Stirnpartie und das Schädeldach, sowie Teile des Kiefers. „Einen Schädel mit Zähnen zu finden ist extrem wichtig, um das Wachstum und die Entwicklung dieser Spezies zu verstehen“, ergänzt Koautor Christopher Walker von der North Carolina State University.

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Gehirn wie ein Australopithecus

Für die Anthropologie ist der Kinderschädel ein besonders wertvoller Fund. Denn Fossilien von Frühmenschenkindern sind selten, weil ihrer fragileren Knochen oft nicht erhalten geblieben sind. „Dieser erste Schädel eines Kindes von Homo naledi kann uns nun wertvolle Einsichten in die verschiedenen Lebensphasen dieser bemerkenswerten Spezies geben“, sagt Erstautorin Juliet Brophy von der Louisiana State University.

Erste Untersuchungen enthüllten bereits, dass das Gehirn des rund sechsjährigen Kindes ein Volumen von rund 480 bis 610 Kubikzentimetern aufwies. Darin ähnelt „Leti“ anderen, weit älteren Frühmenschenkindern wie dem Australopithecus „Kind von Taung“ oder dem Homo erectus. Gleichzeitig entsprach das Gehirn von „Leti“ bereits 90 bis 95 Prozent des Hirnvolumens eines erwachsenen Homo naledi, wie die Forscher erklären.

Warum der Homo naledi trotz seines relativ späten Vorkommens und einiger fortgeschrittener Merkmale ein so kleines Gehirn besaß, ist bisher rätselhaft. Hirnabdrücke in Schädelfragmenten deuten aber daraufhin, dass das Denkorgan des Frühmenschen zwar klein, aber dennoch in einigen Merkmalen schon erstaunlich modern war, wie das Team 2018 herausfand.

Wie kamen die Relikte an ihren Fundort?

Merkwürdig auch: Der Kinderschädel lag völlig isoliert in der entlegenen Höhlenpassage. Knochen des restlichen Skeletts fehlten. „Die Entdeckung eines einzelnen Kinderschädels in einem so entlegenen Teil des Höhlensystems gibt uns noch mehr Rätsel auf“, sagt Berger. „Wir wissen nicht, wie diese Relikte in die dunklen, tiefen Bereiche dieser Höhle gekommen sind.“

Gleiches gilt für die restlichen Fossilien des Homo naledi aus der Rising-Star-Höhle: Die inzwischen an drei Stellen des verwinkelten Höhlensystems gefundenen Relikte liegen mehr als 100 Meter vom Höhleneingang entfernt und der Weg dahin ist nur für besonders zierliche Personen überhaupt zugänglich. Gleichzeitig gibt es aber an keinem der Fossilien Spuren von Raubtieren und auch ein Hineinspülen durch Sturzfluten war nicht möglich war, wie die Wissenschaftler berichten.

Der Kinderschädel aus der Rising-Star-Höhle.© University of the Witwatersrand

Höhle als Frühmenschen-Friedhof?

Berger und sein Team vermuten daher, dass die Homo naledi ihre Toten oder sogar nur deren Gebeine bewusst in die Höhle brachten und dort deponierten. Möglicherweise war die Rising-Star-Höhle so etwas wie ein Friedhof für diese Frühmenschen. Die Paläoanthropologen hoffen, dass weitere Funde und Untersuchungen des Höhlensystems mehr Informationen darüber zutage fördern, ob dies tatsächlich so war.

„Die Rising-Star-Höhle ist wirklich einzigartig“, sagt Koautor Steve Churchill von der Duke University. „Dies ist schon der dritte Ort mit Naledi-Relikten in dieser Höhle und wir wissen von weiteren Erkundungen, dass es noch andere gibt.“ (PaleoAnthropology, 2021; doi: 10.48738/2021.iss1.64)

Quelle: University of the Witwatersrand

 

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