Anzeige
Biologie

Erster Allesfresser-Hai entdeckt

Vermeintlich rein fleischfressender Raubfisch frisst und verdaut auch Seegras

Der Schaufelnasen-Hammerhai (Sphyrna tiburo) ist der einzige bisher bekannte Hai, der kein reiner Fleischfresser ist. © Mills Baker/ CC-by-sa 2.0

Grasen statt jagen: Forscher haben erstmals eine Haiart identifiziert, die kein reiner Fleischfresser ist. Der an der US-Küste heimische Schaufelnasen-Hammerhai jagt nicht nur Krebse und Mollusken, er frisst auch Seegras – und das in großen Mengen. Damit ist er die erste bekannte Haiart überhaupt, die Pflanzenmaterial verdauen kann und als Allesfresser lebt, wie US-Biologen berichten. Die Haie könnten damit eine wichtigere Rolle für die Seegraswiesen spielen als bisher angenommen.

Haie haben keinen sonderlich guten Ruf: Sie galten lange als blutrünstige Räuber und Bedrohung für Surfer und Schwimmer. Doch dieses Bild ist falsch und längst überholt. Zwar sind die Haie die Top-Prädatoren vieler mariner Ökosysteme und verfügen über effektive Jagdstrategien. Gleichzeitig sind diese Raubfische jedoch ähnlich sozial wie Meeressäuger und haben sogar verschiedene Persönlichkeiten.

Nur auf tierisches Protein spezialisiert?

Über eines allerdings waren sich Zoologen schon immer einig: Haie sind reine Fleischfresser. „Als Carnivoren scheinen Haie auf proteinreiche Nahrung spezialisiert zu sein“, erklären Samantha Leigh von der University of California in Irvine und ihre Kollegen. „Sie haben daher eine andere Verdauungs-Biochemie als Allesfresser.“ Während Allesfresser gut Kohlenhydrate verdauen können, sind Fleischfresser primär an die Verarbeitung von Proteinen und Fetten angepasst.

Nach gängiger Annahme galt dies auch für den Schaufelnasen-Hammerhai (Sphyrna tiburo). Zwar lebt diese etwa ein Meter große, tropische Haiart mit Vorliebe in küstennahen Seegraswiesen, doch auf seinem Speiseplan stehen vor allem Krebse und Mollusken – so dachte man jedenfalls bisher. Selbst Beobachtungen, nach denen diese Haie in Seegras beißen und es fressen, galten eher als zufälliger „Beifang“ des Raubfisches.

Kein Problem mit Seegras-Diät

Doch das ist ein Irrtum, wie nun Leigh und ihre Kollegen in einem Experiment belegen. Dafür fütterten sie gefangene Schaufelnasen-Hammerhaie drei Wochen lang mit einer Diät aus 90 Prozent Seegras und zehn Prozent Tintenfischen. Der Clou dabei: Das Seegras war mit Kohlenstoff-13-Isotopen markiert, so dass die Forscher nachverfolgen konnten, ob das Pflanzenmaterial verdaut und in den Stoffwechsel des Hais aufgenommen wird.

Anzeige
Seegraswiese vor der Küste von Florida © NOAA/ Heather Dine

Das überraschende Ergebnis: Die Haie gediehen trotz dieses fast rein vegetarischen Futters bestens. Sie legten an Gewicht zu und zeigten auch sonst keine Anzeichen für Mangelernährung. Wie die Auswertung der Isotopenmarkierung enthüllte, hatten die Raubfische rund die Hälfte ihrer Pflanzennahrung erfolgreich verdaut und sogar den Faseranteil des Seegrases zu gut 50 Prozent zersetzt.

Effektiver Pflanzenverwerter

„Damit liefern wir eindeutige Beweise, dass die Schaufelnasen-Hammerhaie – Tiere die bisher als reine Fleischfresser galten, auch Nährstoffe aus Seegras aufnehmen können“, konstatieren Leigh und ihre Kollegen. „Dies ist die erste bekannte Haiart, die Pflanzenmaterial verdauen kann – und die erste, die jemals als Allesfresser identifiziert worden ist.“

Zum Erstaunen der Biologen sind die Haie dabei sogar relativ effektive Pflanzenverwerter: Sie verdauen das Seegras genauso gut wie junge Grüne Meeresschildkröten (Chelonia mydas) und sogar deutlich besser als Pandas ihre Bambusnahrung, wie die Forscher berichten. Wie Analysen der Verdauungsenzyme der Schaufelnasen-Hammerhaie enthüllten, besitzen sie dafür ähnlich viele stärkeabbauende Amylasen und Glucosidasen wie andere allesfressende Fische. Mit ihren relativ breiten, fast mahlzahnartigen hinteren Zähne können sie das Seegras bereits im Maul zerkleinern, das dann im Magen durch die Magensäure und im Darm durch die Enzyme weiter aufgeschlossen wird.

Neue Sicht auf ökologische Rolle dieser Haie

Die Erkenntnis, dass die Schaufelnasen-Hammerhaie echte Seegras-Fresser sind, hat auch eine potenziell große ökologische Bedeutung, wie Leigh und ihre Kollegen erklären. „Wir müssen nun die Rolle dieser Haie für die Seegraswiesen neu überdenken“, betonen sie. Denn wenn diese Haie sich von Seegras ernähren, könnten sie eine viel größere und aktivere Rolle für dieses so wichtige und artenreiche Habitat spielen als bisher angenommen.

„Die Schaufelnasen-Hammerhaie könnten für einen signifikanten Anteil des Abweidens dieser Seegraswiesen verantwortlich sein und damit zum Nährstofftransport in diesen fragilen Ökosystemen beitragen“, so die Forscher. „Angesichts der enormen Menge dieser Haie – allein in den US-Küstengewässern des Atlantiks und Golfs von Mexiko leben rund 4,9 Millionen Exemplare – sind sie ein bedeutender Faktor.“ (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2018; doi: 10.1098/rspb.2018.1583)

(Royal Society, 05.09.2018 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Wunderwelt Ozean - Zehn Jahre Volkszählung im Meer - „Census of Marine Life“

Hai-Tech - Neues aus dem Reich der Meeresräuber

Haie - Vom Jäger zum Gejagten

News des Tages

Feldhase

Genom des "Osterhasen" entschlüsselt

Erstes Bild der Magnetfelder ums Schwarze Loch

Ägypten: Wandbilder aus der Totenstadt

Wie das Klima den antarktischen Zirkumpolarstrom beeinflusst

Bücher zum Thema

Im Fokus: Meereswelten - Reise in die unbekannten Tiefen der Ozeane Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Im Fokus: Strategien der Evolution - Geniale Anpassungen und folgenreiche Fehltritte von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Schatzkammer Ozean - Volkszählung in den Weltmeeren von Darlene Trew Crist, Gail Scowcroft und James M. Harding

Räuber, Monster, Menschenfresser - 99 Unwahrheiten über Haie von Gerhard Wegner, Robert Hofrichter und Franziska Anderle

Top-Clicks der Woche