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Biologie

Erste Fotos von rätselhaftem Meeresleuchten

Privatjacht durchfährt zufällig das seltene "Milky Seas"-Phänomen

Milky Seas
Satellitenaufnahme des Leuchtphänomens "Milky Seas" südlich der Insel Java. Ein mehr als 100.000 Quadratkilometer großer Meeresbereich ist von Biolumineszenz erhellt. © NOAA

Mysteriöses Leuchten: Durch Zufall konnte eine Schiffsbesatzung erste Fotos und direkte Beschreibungen einer seltenen und kaum erforschten Form des Meeresleuchtens liefern – des „Milky Seas“-Phänomens. Demnach verhält sich diese wahrscheinlich von Bakterien verursachte Biolumineszenz genau umgekehrt wie das normale Meeresleuchten: Wird das Wasser bewegt, erlischt es. Es scheint zudem tiefer unter der Wasseroberfläche zu entstehen, wie die Beobachtungen nahelegen.

Typischerweise wird das Meeresleuchten von Dinoflagellaten im Plankton verursacht. Ihr per Biolumineszenz erzeugtes grünliches oder blaues Licht lässt die Meeresoberfläche aufleuchten, wenn das Wasser durch fahrende Schiffe oder andere Störungen bewegt wird. Beruhigt sich das Wasser wieder, lässt auch das Leuchten typischerweise wieder nach.

Meeresleuchten
Fotos des Meeresleuchtens mit einer GoPro (links) und einem Handy. © Miller/ PNAS, CC-by 4.0

Rätsel um das Phänomen der „Milky Sea“

Deutlich seltener und rätselhafter ist hingegen eine andere Form des Meeresleuchtens, die auch als „Milky Seas“ bezeichnet wird. „Die Milky Seas sind eine Form der marinen Biolumineszenz, die weltweit nur ein bis zweimal im Jahr vorkommt und die die Meeresoberfläche in mondloser Nacht hell wie ein Schneefeld erscheinen lassen“, erklärt Steven Miller von der Colorado State University. Anders als das klassische, vorübergehende Meeresleuchten bleibt dieses Leuchten selbst in ruhigem Wasser gleichmäßig stark.

„Man vermutet, dass diese Leuchtereignisse von biolumineszierenden Bakterien verursacht werden, die mittels Quorum Sensing miteinander kommunizieren und beim Erreichen einer kritischen Populationsdichte zu leuchten beginnen“, sagt Miller. Bisher fehlen jedoch wissenschaftliche Untersuchungen dazu, welche Bakterien dies sind, warum sie leuchten und warum dies nur so selten geschieht.

Zufalls-Beobachtung bei einer Weltumsegelung

Das Problem: Bisher konnte das Milky-Seas-Phänomen nur von wenigen Schiffen direkt beobachtet werden. Die meisten Hinweise auf sein Auftreten stammen von nächtlichen Satellitenaufnahmen. Durch sie wurden in den letzten zehn Jahren zwölf Kandidaten größerer Leuchtereignisse entdeckt, darunter ein besonders ausgedehntes, das zwischen Juli und September 2019 vor der Küste von Java auftrat und sich über mehr als 100.000 Quadratkilometer Fläche erstreckte.

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Genau durch dieses Gebiet kreuzte Anfang August 2019 zufällig die Privatjacht „Ganesha“, die zu einer Weltumrundung unterwegs war. Die Besatzung konnte so einzigartige Fotos, Filmaufnahmen und Beschreibungen des Phänomens liefern. „Die Ganesha-Daten bieten die Möglichkeit, die Satellitendaten mit direkten Beobachtungen abzugleichen“, sagt Miller. Sie könnte zudem helfen, näheres über die Ursache herauszufinden.

„Das Meer war weiß“

Als das Schiff am Abend des 2. August 2019 in die Zone der „Milky Seas“ geriet, veränderte sich die bis dahin dunkle Wasseroberfläche deutlich: „Als ich gegen 22:00 Uhr aufwachte, war das Meer weiß. Man hat das Gefühl, über Schnee zu segeln“, berichtet ein Eintrag im Schiffslogbuch. Das Meer war demnach heller als der dunkle, mondlose Himmel und das stetige Leuchten erstreckte sich bis zum Horizont. „Die Farbe und Intensität glich dem von Leuchtaufklebern oder dem Ziffernblatt mancher Uhren“, beschreibt ein Besatzngsmitglied.

Dort, wo das Meerwasser durch die Bugwelle des Schiffes umgewälzt wurde, erlosch das Leuchten jedoch und das Meer erschien vorübergehend normal dunkel. Ähnliches beobachtete die Besatzung, als sie eine Wasserprobe mit einem Eimer an Bord zog: Die darin enthaltenen leuchten Lichtpunkte wurden dunkel, sobald das Wasser bewegt oder umgerührt wurde. Die leuchtenden Meeresorganismen verhalten sich damit genau umgekehrt wie die Dinoflagellaten, die das normale Meeresleuchten hervorrufen.

Leuchten aus tieferen Schichten

Interessant auch: Den Beschreibungen zufolge schien das Leuchten nicht nur von einer dünnen Schicht an der Wasseroberfläche zu kommen wie bisher vermutet. Stattdessen verortete die Besatzung das Leuchten eher in einer dickeren, bis zu zehn Meter Tiefe reichenden Wasserschicht. Dazu würde passen, dass die eher flachen Wasserturbulenzen am Schiffsheck keine Verdunklung des Leuchtens hervorriefen, wie Miller erklärt.

„Diese Beobachtungen scheinen die Hypothese eines oberflächlichen Bakterienfilms zu widerlegen und sprechen eher für eine tiefer reichende oder weiter unten liegende Quelle“, so der Forscher. Ob das wirklich so ist, müsse man aber in künftigen Untersuchungen noch klären. „Viele Fragen zur Struktur, der Zusammensetzung und der Bedeutung des Milky-Seas-Phänomens waren noch auf ihre Beantwortung“, schreibt Miller.

Er hofft nun, dass die Validierung der Satellitendaten durch die Schiffsbeobachtungen dabei helfen werden, künftige Leucht-Ereignisse dieser Art schneller aufzuspüren, um sie dann gezielt untersuchen zu können. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2207612119)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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