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Neurobiologie

Entscheidungshelfer für neurale Stammzellen entdeckt

Neue Ansatzstellen für stammzellbasierte Behandlung von Nervenkrankheiten

Immunofluoreszenz- Aufnahme von Mäusestammzellen, die Pax6 (grün) überexprimieren. Pax6 beeinflusst die Menge an alternativen Tenascin C-Formen (rot). © RUB

Einen wichtigen „Entscheidungshelfer“, der das Verhalten von Nervenzell-Vorfahren während der Gehirnentwicklung bestimmt, haben Wissenschaftler jetzt identifiziert damit einen wichtigen Schritt zum Verständnis der Entwicklung des Nervensystems gemacht.

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Ursula Egbers, Alexander von Holst und Andreas Faissner, Professor am Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie der Ruhr-Universität Bochum untersuchten gemeinsam mit ihrem Kollegen Alain Prochiantz von der École Normale Supérieure in Paris isolierte neurale Stammzellen aus den Gehirnen von Mäusen. Dabei stellten sie erstmals einen Zusammenhang zwischen zwei Molekülen her, die während der Entwicklung des Gehirns wichtige Funktionen erfüllen. Die Forschungsergebnisse sind in der März-Ausgabe des renommierten „Journal of Biological Chemistry“ veröffentlicht.

Nervenzell-Urahnen haben drei Wahlmöglichkeiten

Im Gehirn gibt es viele Milliarden Nervenzellen, die Informationen verarbeiten und weitergeben. Nervenzellen und ihre „Helfer“, die Gliazellen, haben gemeinsame „Urahnen“. Diese als neurale Stammzellen bezeichneten Urahnen bringen während der Entwicklung alle Zellen des Nervensystems hervor. Die Nachwuchsprojektgruppe um Alexander von Holst interessiert, welche Faktoren für das Verhalten von Stammzellen entscheidend sind. In deren Umgebung – in der Stammzellnische – nehmen viele verschiedene Moleküle Einfluss auf die Entscheidungsfindungen von Stammzellen, die zum einen die Möglichkeit haben, durch Teilungen weitere neurale Stammzellen hervorzubringen, zum anderen entscheiden können, ob sie zu Nervenzellen oder zu Gliazellen werden.

Tenascin C als Entscheidungshelfer

Ein wichtiges Molekül, das diese Entscheidungen beeinflusst, ist Tenascin C, welches in der Umgebung der Zellen vorliegt und von dort auf sie wirken kann. Die Menge und die Art dieses Moleküls bestimmt in entscheidender Weise, welchen Weg die neuralen Stammzellen einschlagen werden. Bis zu 20 verschiedene Formen von Tenascin C hat Ursula Egbers im Rahmen ihrer Doktorarbeit in neuralen Stammzellen gefunden.

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Genschalter interagiert mit Spleißmaschinerie

Den Forschern ist es nun gelungen, die Stammzellen mit einer neuen Methode, der so genannten Nukleofektion, vorübergehend genetisch zu verändern. Dadurch produzieren die Stammzellen eine große Menge eines künstlich eingeführten Gens, den Genschalter Pax6. Dieser Schalter erfüllt eine entscheidende Funktion bei der Entwicklung des Auges und des Vorderhirns. Ohne Pax6 gibt es wesentlich weniger Nervenzellen, und die Verteilung der Zellen an die richtigen Positionen ist gestört.

In den neuralen Stammzellen bewirkt Pax6, dass bestimmte Formen von Tenascin C verstärkt produziert werden, während kurze Tenascin C-Moleküle seltener hergestellt werden. „Wir konnten zeigen, dass Pax6 für den richtigen ‚Zuschnitt‘ der Genprodukte am Ende ihres Produktionswegs sorgt“, erklärt Ursula Egbers. Es wird vermutet, dass durch veränderte Zusammensetzung von Tenascin C-Formen die Kommunikation in der Nische zwischen den neuralen Stammzellen und ihren Nachkommen miteinander und untereinander entscheidend beeinflusst werden.

Hoffnung auf neue Ansätze zur Behandlung

„Die Arbeit an Stammzellen des Gehirns in unserer Projektgruppe ’neurale Stammzellen‘ trägt dazu bei, dass ein so komplexes Organ wie das Gehirn etwas besser verstanden werden kann“, erklärt Alexander von Holst. Die Untersuchungen an neuralen Stammzellen helfen dabei zu klären, was während der Entwicklung des Nervensystems geschieht.

Langfristig, so hoffen die Forscher, kann ein verbessertes Grundlagenverständnis der zellulären und molekularen Mechanismen der Stammzellbiologie zu neuen Ansätzen einer gezielten, stammzellbasierten, klinischen Anwendung bei Erkrankungen des Nervensystems beitragen.

(Ruhr-Universität Bochum, 26.03.2007 – NPO)

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