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Neurobiologie

Einsamkeit zeigt sich am Gehirn

Hirnaktivität spiegelt Entkopplung des Selbst von anderen wider

einsam
Wer sich einsam fühlt, unterscheidet sich auch in seiner Hirnaktivität von anderen Menschen. © Xesai/ iStock.com

Tiefe Kluft: Ob ein Mensch unter Einsamkeit leidet, verrät auch seine Hirnaktivität. Denn sie zeigt eine stärkere Entkopplung zwischen dem Schaltkreis für das Selbst und dem Aktivitätsmuster beim Nachdenken über andere. Das könnte das Gefühl der Entfremdung und sozialen Isolation erklären, unter dem einsame Menschen oft leiden, so die Forscher im Fachmagazin „Journal of Neuroscience“.

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie leiden viele Menschen vermehrt unter Einsamkeit. Dieses Gefühl der sozialen Isolation trifft nicht nur Ältere, sondern tritt auch bei jungen Erwachsenen und Menschen ab Mitte 50 gehäuft auf, wie eine Studie kürzlich ergab. Bei den Betroffenen kann die Einsamkeit schwere seelische und auch gesundheitliche Folgen haben, denn wir Menschen sind von Natur aus soziale Wesen.

Hirnaktivität
Je enger die Beziehung, desto ähnlicher ist das Aktivitätsmuster im Gehirn. © Courtney and Meyer/ JNeurosci 2020

Drei neurale Muster für drei Personengruppen

Doch wie manifestiert sich das Gefühl der Einsamkeit in unserem Gehirn? Das haben nun Andrea Courtney von der Stanford University und Meghan Meyer vom Dartmouth College untersucht. In ihrer Studie analysierten sie die Hirnaktivität von 43 Männern und Frauen mithilfe der funktionalen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT), während diese über die Eigenschaften ihrer selbst, der von engen Freunden oder von prominenten Personen nachdachten.

Die Hirnscans enthüllten, dass sich das Muster der Hirnaktivität je nach Bezugsperson unterscheidet: Das Nachdenken über uns selbst aktiviert andere Schaltkreise, als wenn wir über enge Freunde oder aber nur aus dem Medien bekannte Prominente nachsinnen. Dabei sind sich diese Muster aber umso ähnlicher, je enger wir uns mit der Person verbunden fühlen. „Entscheidend für die neurale Repräsentation ist unsere subjektive Beziehung zu diesen Personen“, erklären Courtney und Meyer.

Zentral für die neuralen Schaltkreise war dabei an allen Fällen der mediale präfrontale Cortex, ein Areal im Stirnhirn, das unter anderem für unser Selbstbild zuständig ist.

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Entkopplung von sich und anderen

Das Interessante jedoch: Als die Forscherinnen die Hirnaktivität von einsamen Probanden mit denen sozial gut integrierter Versuchspersonen verglichen, zeigten sich auffallende Unterschiede: „Zum einen schienen die einsameren Teilnehmer eine ‚einsamere‘ Selbstrepräsentation im präfrontalen Cortex aufzuweisen“, berichten die Forscherinnen. Ihr Aktivierungsmuster war stärker von anderen Schaltkreisen entkoppelt als bei nichteinsamen Teilnehmern.

Zum anderen unterschieden sich auch die neuralen Muster für das Selbst und für enge Freunde stärker: „Bei den meisten von uns wird beim Nachdenken an uns selbst oder an unsere Freunde eine sehr ähnliche Konstellation aktiviert“, sagt Courtney. Bei Menschen, die unter Einsamkeit leiden, ist das nicht der Fall: „Es scheint, dass die Repräsentation des Selbst im Gehirn einsamer Personen stärker von der anderer Menschen entkoppelt ist – das stimmt mit dem überein, was einsame Menschen empfinden“, sagt Meyer. Denn typisch dafür ist das Gefühl der Entfremdung und Isolation von anderen.

„Unser Gehirn unterhält demnach sowohl Information über soziale Kategorien, wie auch über die Verbundenheit mit uns selbst“, sagen die Forscherinnen. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gefühl der chronischen sozialen Isolation durch eine ‚einsamere‘ Selbstrepräsentation widergespiegelt wird.“ Ob diese neuronalen Unterschiede jedoch Ursache oder Wirkung sind, bleibt vorerst offen. (Journal of Neuroscience, 2020; doi: 10.1523/JNEUROSCI.2826-19.2020)

Quelle: Society for Neuroscience, Dartmouth College

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