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Paläontologie

Ein neuer Zeitgenosse für „Lucy“ und Co

Australopithecus-Fossil "Little Foot" ist viel älter als gedacht

Skelett von Little Foot in der Höhle von Sterkfontein © 120 / V. Mourre / CC-by-sa 3.0

Überraschung im Menschen-Stammbaum: Vor gut 3,5 Millionen Jahren gab es mehr Vormenschenarten als bisher gedacht. Denn nach einer neuen Datierung ist das Australopithecus -Fossil „Little Foot“ aus Südafrika gut eine Million Jahre älter als gedacht. Er ist damit kein Nachfahre des Australopithecus afarensis, sondern ein zu einer anderen Art gehörender Zeitgenosse. Wie genau die Verwandtschaftsbeziehungen dieser Arten waren, muss nun geklärt werden, so das Forscherteam in „Nature“.

1997 machten Paläontologen in der Höhle von Sterkfontein in Südafrika einen aufregenden Fund: Im Kalkstein der Höhle stießen sie auf die verstreuten Knochen eines Australopithecus – eines der Vormenschen, aus denen sich später die ersten Vertreter der Gattung Homo entwickelten. Der Fund entpuppte sich als das bisher vollständigste Skelett eines Australopithecus – kompletter noch als „Lucy“, das berühmte Skelett eines gut drei Millionen Jahre alten Australopithecus afarensis, das 1974 im Afar-Dreieck Äthiopiens entdeckt wurde.

Eine andere Art

Doch das Fossil aus Sterkfontein gehört zu einer anderen Art als „Lucy“: „Little Foot“ ist etwas größer, hat ein flacheres, längeres Gesicht und kräftigere Backenzähne. Er ähnelt damit teilweise dem Australopithecus africanus, der rund eine Million Jahre nach „Lucy“ lebte, in anderen Aspekten aber eher dem Paranthropus, einem robusten Seitenzweig der Vormenschengeschichte.

Sein Entdecker, Ronald Clarke von der University of the Witwatersrand, ordnet „Little Foot“ daher einer eigenen Art zu, dem Australopithecus prometheus. Eine genaue Einordnung des Fossils in den Menschenstammbaum ist jedoch schwierig – vor allem, weil das Skelett bisher nicht eindeutig datiert werden konnte.

Blick in die Höhle von Sterkfontein - ihre Geologie macht eine Datierung von Funden schwierig © Mike Peel (www.mikepeel.net) / CC-by-sa 4.0

Wie alt ist „Little Foot“?

Der Grund dafür: Das Alter der Knochen lässt sich nur indirekt, durch Datierung des umliegenden Gesteins bestimmen. Aber dieses ist stellenweise von Erosion abgetragen und durch tropfsteinähnliche Kalkablagerungen wieder aufgefüllt. Dadurch ist es schwer festzustellen, in welchen Horizont das Skelett gehört.

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Weil die meisten der Knochen von Kalkstein umgeben sind, hielten viele Forscher diesen bisher für ausschlaggebend. Eine Uran-Blei-Datierung dieses Gesteins ergab ein Alter von 2,2 Millionen Jahren. Doch andere, unter ihnen auch Clarke, zweifeln dies an. Sie sind der Ansicht, dass der Kalkstein erst nach Deponierung des Skeletts abgelagert wurde – „Little Foot“ müsste daher älter sein.

Gut eine Million Jahre älter

Darryl Granger von der Purdue University in West Lafayette und seine Kollegen haben die Kontroverse nun wieder aufgegriffen und die Gesteinsschichten in der Sterkfontein-Höhle erneut gründlich untersucht. Dafür unterzogen sie elf Gesteinsproben von unterschiedlichen Stellen des Fundorts einer Isotopendatierung. Aus den Gehalten von Aluminium-16 und Beryllium-10 rekonstruierten sie die chronologische Abfolge der verschiedenen Gesteine und vor allem das Alter des Brekzien-Gesteins, das direkt unter und neben einigen der Knochen zutage tritt.

Ihre Schlussfolgerung: Der Kalkstein bildet keine einheitliche Schicht, sondern füllte nur nachträglich Löcher im älteren Brekzien-Gestein aus – dem Gestein, dem sie auch das Skelett von Little Foot zuordnen. „Dieses wurde vor 3,67 Millionen Jahren deponiert – und damit weit früher als die Tropfsteine“, berichten Granger und seine Kollegen.

Wie passt "Little Foot" in den Menschen-Stammbaum? © Jason Heaton

Mehr Vormenschen zur gleichen Zeit

Das aber bedeutet, dass „Little Foot“ gut eine Million Jahre älter ist als bisher angenommen. Er wird damit nicht zu einem Nachfolger, sondern zu einem Zeitgenossen des Australopithecus afarensis – der Vormenschenart, zu der auch „Lucy“ gehörte. In der Zeit vor gut 3,5 Millionen Jahren lebten demnach in Ostafrika mehr Vormenschenarten als bisher gedacht.

„Das wirft interessante Fragen über die Artenvielfalt der frühen Hominiden und ihre Verwandtschaftsverhältnisse auf“, konstatieren Granger und seine Kollegen. Wie sich „Little Foot“ in den Stammbaum einfügt, muss nun geklärt werden. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14268)

(University of the Witwatersrand/ Purdue University, 02.04.2015 – NPO)

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