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Neurobiologie

Dopamin stimuliert Stammzellen im Gehirn

Einfluss auch beim Menschen nachgewiesen

Der Botenstoff Dopamin spielt nicht nur eine entscheidende Rolle bei Krankheiten wie Parkinsomn, er beeinflusst auch die Teilung von Stammzellen im Gehirn. Forscher der Universität Marburg haben dies jetzt sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen nachgewiesen. Die Entdeckung könnte ein Schritt auf dem Weg zu einer Therapie gegen den Nervenzellverlust bei Gehirnerkrankungen wie Parkinson sein.

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Erst seit wenigen Jahren weiß man, dass in bestimmten Gebieten des erwachsenen Gehirns ständig neue Nervenzellen gebildet werden, um alte zu ersetzen. Auf diese Weise scheint sich das Gehirn bis ins hohe Alter eine gewisse Plastizität zu erhalten. Die Arbeitsgruppe von Günter Höglinger und Prof. Wolfgang Oertel an der Klinik für Neurologie der Philipps-Universität Marburg hat, in Zusammenarbeit mit Forschern des Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (INSERM) in Paris nun herausgefunden, dass der Botenstoff Dopamin eine wesentliche Rolle bei der Teilung von Stammzellen im Gehirn spielt. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil bei der Parkinson-Krankheit dieser Botenstoff im Gehirn der Patienten in unzureichender Menge vorhanden ist. Die Ergebnisse erschienen am Sonntag, dem 13. Juni 2004, als Advance Online Publication auf der Homepage der Fachzeitschrift Nature Neuroscience.

Dopamin-Andockstellen im Stammzellreservoir

Bei erwachsenen Säugetieren einschließlich des Menschen liegt in der so genannten Subventrikulären Zone (SVZ) im Zwischenhirn ein großes Reservoir an Stammzellen. Diese Zellen haben auch beim Menschen das Potential, neue Nervenzellen zu bilden. Höglinger und Mitarbeiter konnten nun zeigen, dass die so genannten C-Zellen in der SVZ Andockstellen für Dopamin besitzen und von Dopaminfasern kontaktiert werden. C-Zellen sind Vorläufer von Nervenzellen; ihre Aufgabe ist es sich, sich häufig zu teilen, um so für Nachschub an frischen Zellen zu sorgen.

Wurden die Dopaminfasern bei Mäusen experimentell geschädigt, bildeten sich weniger neue Nervenzellen. Dieses Defizit konnte ausgeglichen werden, wenn den Tieren bestimmte Dopamin-artige Medikamente gegeben wurden. Derselbe Zusammenhang zwischen Dopamin und Zellbildung wurde von den Autoren auch im Hippocampus nachgewiesen, einer Hirnregion, die wesentlich an Gedächtnisfunktionen beteiligt ist.

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Höglinger und Mitarbeiter untersuchten die Regulation von Stammzellenteilung durch Dopamin auch beim Menschen. Sie konnten nachweisen, dass auch hier Stammzellen von Dopaminfasern kontaktiert werden und dass sich Stammzellen im Gehirn von Parkinson-Patienten seltener vermehren. Dies gilt sowohl für die SVZ als auch für den Hippocampus.

Erste Parkinson-Symptome durch mangelnden Zellnachschub

Häufig kommt es bei der Parkinson-Krankheit neben motorischen Symptomen wie dem charakteristischen Zittern auch zu nicht-motorischen Symptomen, die Ersteren um Jahre vorausgehen können. Dazu gehören die Verschlechterung des Geruchssinns und die Verringerung von Gedächtnisleistungen. Im Tierexperiment konnten Wissenschaftler solche nicht-motorischen Symptome durch eine Unterdrückung von Stammzellteilung im Gehirn reproduzieren. Störungen von Gedächtnis und Geruchssinn lassen sich bei Parkinson also möglicherweise ebenfalls durch die verminderte Stammzellteilung erklären: Bleibt der Nachschub an neuen Zellen aus, scheint die Funktionalität des Hippocampus und des Riechhirns zu leiden. Die Forscher gehen nun davon aus, dass die frühe Erkennung und Behandlung der Parkinson-Krankheit dem langfristigen Mangel an neuen Zellen vorbeugen kann.

Stimulation möglich?

Weiterhin legen Höglinger und Oertel zum ersten Mal Untersuchungen beim Menschen vor, die vermuten lassen, dass die Produktion von neuen Nervenzellen im Gehirn durch seit langem bekannte Botenstoffe wie Dopamin stimuliert werden kann. Die Wirkung solcher Botenstoffe lässt sich mittlerweile relativ leicht mit Medikamenten beeinflussen. Viele Stammzellforscher hoffen daher, eines Tages dem Nervenzellverlust bei Gehirnerkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder Huntington begegnen zu können, indem sie das Gehirn so stimulieren, dass es verstärkt neue Nervenzellen produziert und den Verlust ausgleicht. Die Ergebnisse der Arbeit von Höglinger, Oertel und Mitarbeitern am menschlichen Gehirn sind eine große Ermutigung, die Forschung in diese Richtung weiter zu verfolgen.

Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. In Deutschland sind davon zwischen 200.000 und 250.000 Menschen betroffen. Zu ihren motorischen Symptomen gehören Bewegungsverlangsamung, Muskelsteifheit und ein charakteristisches Zittern. Ursache der Symptome ist, dass – aus noch ungeklärtem Grund – Dopamin-produzierende Nervenzellen in der Substantia Nigra absterben. Diese Gehirnregion ist der wichtigste Produktionsort von Dopamin, von dem aus der Botenstoff über Nervenfasern im Gehirn verteilt wird. Gehen hier Nervenzellen zu Grunde, kommt es zum Dopaminmangel im Gehirn. Die motorischen Symptome der Krankheit werden heute therapiert, indem mit Hilfe Dopamin-artiger Medikamente (L-DOPA, Dopamin-Agonisten) der Dopaminmangel ausgeglichen wird.

(Philipps-Universität Marburg, 15.06.2004 – NPO)

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