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Biologie

Dogma der Evolutionsbiologie widerlegt

Entwicklung der Körperachsen nicht bei allen vielzelligen Tieren gleich

Einem internationalen Wissenschaftler-Team ist eine bedeutende Entdeckung in der Entwicklungsgeschichte der Tiere gelungen. Sie konnten zeigen, dass die Entwicklung der Körperachse nicht wie bisher angenommen bei allen vielzelligen Tieren gleich verläuft, sondern sich bei Niederen und Höheren Tieren sehr grundsätzlich voneinander unterscheidet.

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Die Wissenschaftler haben, wie sie in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift "Current Biology" berichten, damit einen Grundbaustein der modernen Evolutionsbiologie ins Wanken gebracht.

Das Team um Professor Bernd Schierwater von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover konnte gemeinsam mit Wissenschaftlern der Yale University in den USA und der James Cook University in Australien zeigen, dass die so genannten Hox-Gene, die bei höher entwickelten Tieren für die Entwicklung der Körperachse verantwortlich sind, bei Niederen Tieren in vergleichbarer Form nicht vorliegen.

Die Hox-Gene legen die Entwicklung eines Tieres vom Kopf bis zum Schwanz fest. Das Hox-System wurde an Höheren Tieren unter anderem von Professorin Christine Nüsslein-Volhard vom Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen untersucht. Bisher ist man davon ausgegangen, dass die Hox-Gene bei allen Tieren in der gleichen Reihenfolge angeordnet sind und immer in der gleichen Reihenfolge abgelesen werden. Gemäß dieser Lehrbuchanschauung sind nur wenige Gene für die Ausbildung der Hauptkörperachse der Tiere und für eine formenreiche Evolution von tierischen Bauplänen verantwortlich. Dies gilt aber nach den neuesten Erkenntnissen nicht für Niedere Tiere.

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Den Forschern gelang es nachzuweisen, dass die Hox-Gene der Höheren Tiere bei Niederen Tieren weder in vergleichbarer Form noch in der beschriebenen Anordnung existieren. Für ihre Entdeckung haben die Wissenschaftler verschiedene Cnidaria (Nesseltiere) untersucht und entdeckt, dass auch die Funktion dieser Gene bei Niederen Tieren eine andere zu sein scheint.

So ist beispielsweise ein bisher als gleich – homolog – angesehenes Gen, das bei höher entwickelten Tieren die Information für die Ausbildung des Hinterendes trägt, bei Niederen Tieren für die Kopfbildung verantwortlich. Die neuen Befunde sind auch deshalb überraschend, weil die Besonderheiten des Hox-Systems bisher als Grundlage für die Evolution besonders vielfältiger Bauplanmuster entlang der Hauptkörperachse galten, etwa von der Entstehung eines vielgliedrigen Rumpfes mit vielen Beinpaaren bei Ringelwürmern bis zur Entstehung eines kurzen Rumpfes mit Flügeln bei Insekten.

Entdeckung mit grundsätzlicher Bedeutung für Systematik der Tiere

Auch für die Systematik der Tiere ist die Entdeckung von grundsätzlicher Bedeutung. Sie unterstreicht die Unterteilung in Niedere Tiere mit zwei Keimblättern und ohne Hox-System und Höhere Tiere mit drei Keimblättern und mit Hox-System. Durch die Arbeit der Forscher wird auch die Hypothese, alle Höheren Tiere hätten sich aus den Nesseltieren entwickelt, grundsätzlich in Frage gestellt.

"Die neuen Erkenntnisse haben endlich die von vielen Wissenschaftlern ersehnte Klärung bezüglich der Verbreitung und Bedeutung des Hox-Systems für vielzellige Tiere erbracht." so Schierwater "Gleichzeitig werfen die Befunde völlig neue Fragen nach den Mechanismen auf, die einer besonderen Formenvielfalt auch in Niederen Tieren zugrunde liegen."

(idw – Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, 31.03.2006 – DLO)

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