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Paläontologie

Dinosaurier nisteten sogar in der Arktis

Fossilien frisch geschlüpfter Dinosaurier-Babys in Alaska werfen Fragen auf

Arktische Tyrannosaurier
Fossilfunde belegen, dass Dinosaurier wie diese Tyrannosaurier während der Kreidezeit nicht nur in der Arktis lebten, sie brüteten dort auch ihre Jungen aus. © James Havens

Kinderstube im Hohen Norden: Trotz Kälte und Polarwinter lebten Dinosaurier nicht nur das ganze Jahr hindurch in der Arktis, sie brüteten dort auch ihren Nachwuchs aus. Das belegen nun Fossilfunde von winzigen Zähnen und Knochen, die von frisch geschlüpften Dino-Babys verschiedener Spezies stammen. Es ist der erste Beleg für eine Fortpflanzung der Dinosaurier in so hohen Breiten – und ein Indiz für ihre Warmblütigkeit, wie die Paläontologen im Fachmagazin „Current Biology“ berichten.

In der Kreidezeit herrschte zwar ein Treibhausklima, trotzdem war es in der Arktis auch damals wenig komfortabel: Die Temperaturen sanken im Winter unter den Gefrierpunkt und es blieb monatelang dunkel. Dennoch belegen Funde von tausenden Fußabdrücken und Fossilien in Alaska, dass sich dort vor rund 70 Millionen Jahren ganze Herden von pflanzenfressenden Dinosauriern tummelten. Bisher gingen Paläontologen aber davon aus, dass diese Dinos sich nur im Sommer dort aufhielten und im Winter nach Süden zogen, wo sie auch ihre Jungen bekamen.

Dino-Zähne
Fossile Zähne verschiedener Dinosaurierarten und die Umrisse ihrer frisch geschlüpften Jungtiere im Größenvergleich. © Patrick Druckenmiller/ Current Biology

Fossile Dino-Kinderstube

Diese Annahme widerlegen jetzt neue Fossilfunde aus dem Norden Alaskas. Für ihre Studie hatten Patrick Druckenmiller vom University of Alaska Museum und sein Team im Sedimentgestein einer Gesteinsformation oberhalb des Colville River nach kleinsten Relikten kreidezeitlicher Dinosaurier gesucht. „So kleine Fossilien zu finden ist wie Goldwaschen – man braucht eine Menge Zeit und Geduld, um Tonnen von Sediment Korn für Korn unter dem Mikroskop abzusuchen“, erklärt Druckenmiller.

Doch die Mühe hat sich gelohnt: In den Ablagerungen entdeckten die Forscher zahlreiche winzige Zähne und Knochenstücke, die von frisch geschlüpften oder sogar noch ungeschlüpften Baby-Dinosauriern aus der Zeit vor rund 70 Millionen Jahren stammten. „Wir haben die Relikte von Jungtieren fast aller in dieser Formation vorkommenden Dinosaurierarten gefunden – es war die reinste Entbindungsstation“, berichtet Druckenmiller.

Vom Mini-Dino bis zum Tyrannosaurus

Unter den neugeborenen oder noch im Ei steckenden Dinosauriern waren Vertreter kleiner, vogelähnlicher Arten, aber auch Jungtiere der gewaltigen Tyrannosaurier. Neben pflanzenfressenden Entenschnabel-Dinosauriern, massigen, horntragenden Ceratopsiden oder zweibeinig laufenden Thescelosauriern hatten offenbar auch fleischfressende Arten wie Tyrannosaurier, Troodontier und Dromaeosauriden ihre Kinderstube im hohen Norden.

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„Es ist noch nicht lange her, dass war schon die Vorstellung erstaunlich, überhaupt Dinosaurier in diesen extremen Breiten und Umwelten zu finden“, sagt Druckenmiller. „Jetzt zu sehen, dass fast alle diese Spezies sich auch in der Arktis fortpflanzten, ist wirklich bemerkenswert. Wir haben jetzt den eindeutigen Beweis, dass diese Dinosaurier hier auch nisteten und sich in diesen hohen Breiten fortpflanzen konnten.“

Überwinterung in der Arktis

Die Entdeckung der arktischen Dino-Kinderstube weckt Zweifel an der Theorie, nach der die Dinosaurier den Winter weiter im Süden verbrachten. Denn biochemische Analysen legen nahe, dass diese Dinosaurierarten ihre Eier drei bis sechs Monate lang ausbrüten mussten, wie die Paläontologen erklären. „Die arktischen Sommer hatten 24 Stunden lang Sonnenlicht und gute Bedingungen für einen heranwachsenden Dinosaurier – wenn er sich schnell genug entwickelte bis der Winter kam“, erklärt Koautor Caleb Brown vom Royal Tyrrell Museum in Kanada. Denn die Sommer in der Arktis waren auch damals schon kurz.

Selbst wenn die Dinosaurier ihre Eier zeitig im arktischen Frühjahr gelegt hätten, wären die geschlüpften Jungtiere daher im Herbst wahrscheinlich noch nicht fit genug, um eine längere Wanderung zu absolvieren. Nach Ansicht der Wissenschaftler liegt es daher nahe, dass diese Dinosaurier-Arten auch im hohen Norden überwinterten.

Waren die Dinosaurier warmblütig?

Das aber weckt die Frage, wie die Dinosaurier dies bewerkstelligten: Wie überstanden sie Dauerdunkel und Kälte der arktischen Winter? „Vielleicht machten die Jungtiere und kleineren Arten eine Art Winterschlaf“, spekuliert Druckenmiller. „Andere könnten daran angepasst gewesen sein, selbst mit spärlicher Nahrung bis zum Frühjahr durchzuhalten, ähnlich wie die Elche heute.“ Dennoch wäre ein ganzjähriger Aufenthalt in der Arktis schon wegen der Kälte eine enorme Herausforderung für die Physiologie der Riesenechsen gewesen.

„Unsere Funde rühren an eine der Kernfragen der Paläontologie: Waren die Dinosaurier warmblütig?“, erklärt Druckenmiller. Koautor Gregory Erickson von der Florida State University ergänzt: „Bisher haben wir keine wechselwarmen Tiere wie Amphibien, Echsen oder Krokodile im hohen Norden gefunden – nur gleichwarme wie Vögel und Säugetiere – und die Dinosaurier. Ich denke, das ist einer der überzeugendsten Belege dafür, dass die Dinosaurier tatsächlich warmblütig gewesen sein müssen.“ (Current Biology, 2021; doi: 10.1016/j.cub.2021.05.041)

Quelle: University of Alaska Fairbanks, Cell Press

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