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Geowissen

Diesem Vormenschen verdanken wir Genitalherpes

Paranthropus boisei schleppte das HSV2-Virus in die menschliche Stammeslinie ein

Der Vormenschen-Vetter Paranthropus boisei brachte wahrscheinlich das HSV-2-Virus in unsere Ahnenlinie. © Louise Walsh / CDC

Prähistorische Infektion: Fast wäre die Menschheit um den lästigen Genitalherpes herumgekommen. Doch dann passierte das Missgeschick: Vor rund zwei Millionen Jahren steckte sich der Hominine Paranthropus boisei beim Verzehr von Schimpansenfleisch mit dem Herpes-Virus an. Kurze Zeit später gab er den Erreger an unseren Vorfahren, den Homo erectus, weiter. Dieses Szenario haben Forscher anhand von genetischen und epidemiologischen Analysen rekonstruiert.

Während das Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) bei uns die lästigen Lippenbläschen auslöst, befällt HSV-2 die Schleimhäute der Genitalregionen und verursacht den Genitalherpes. Beide Herpes-Viren aber sind ebenso hartnäckig wie ansteckend: Hat man sich einmal infiziert, wird man diese Erreger nicht mehr los – und das galt schon für unsere Vorfahren. Forscher gehen davon aus, dass wir HSV-1 schon von unseren äffischen Vorfahren geerbt haben.

Wann befiel uns HSV-2?

Anders dagegen HSV-2: Die frühesten Vormenschen kannten wahrscheinlich noch kein Genital-Herpes. Denn das Virus hatte ihren Zweig der Primaten noch nicht erobert. Stattdessen befiel der Vorfahre des heutigen HSV-2-Virus zunächst nur prähistorische Schimpansen – und damit unsere nächsten Verwandten. Aber irgendwann im Verlauf der Menschheitsgeschichte muss dem Virus dann doch noch der Sprung vom Affen auf den Menschen gelungen sein.

Wie und wann der Genitalherpes diesen Übergang auf den Menschen schaffte, haben nun Charlotte Houldcroft von der University of Cambridge und ihr Team rekonstruiert. Für ihre Spurensuche nutzten sie epidemiologische Netzwerk-Analysen, Genvergleiche und bezogen die Verbreitung und Lebensweise früher Vormenschen und Schimpansen mit ein.

Vormenschen-Vetter als Überträger

„Damit diese Viren die Artschranke überwinden konnten, brauchten sie eine passende genetische Mutation kombiniert mit dem Austausch von Körperflüssigkeiten“, erklärt Houldcroft. „Im Falle der frühen Homininen bedeutet dies entweder den Verzehr von infiziertem Fleisch oder Sex – vielleicht auch beides.“

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So könnte der vor rund zwei Millionen Jahren lebende Paranthropus boisei ausgesehen haben. © Cicero Moraes, Moacir Elias Santos/ CC-by-sa 3.0

Die Analysen ergaben: Der wahrscheinlichste Überträger war Paranthropus boisei – ein Nachfahre des Australopithecus, der bis vor rund einer Million Jahren Seite an Seite mit unseren Vorfahren in Afrika lebte. „Unsere Analyse deutet darauf hin, dass Paranthropus der entscheidende Zwischenwirt für HSV-2 bei der Übertragung vom prähistorischen Schimpansen auf den Menschen gewesen ist“, sagen die Forscher.

Angesteckt durch „Bushmeat“

Dieser Vetter unserer Vorfahren ernährte sich zwar vorwiegend pflanzlich, könnte aber auch Fleisch gegessen haben – beispielsweise, wenn er frisches Aas fand. Und genau dieses Verhalten des Paranthropus verschaffte dem Herpes-Virus seine Chance: Als ein Paranthropus boisei infiziertes Schimpansenfleisch aß, konnte das Virus auf diesen Vormenschen überspringen.

„Der Verzehr von rohem Fleisch machte es dem Schimpansen-Herpes leicht, Paranthropus boisei über winzige Schnitte oder Bläschen in der Mundschleimhaut zu infizieren“, so Houldcroft und ihre Kollegen. „Wir denken, dass Paranthropus damals zur rechten Zeit am rechten Ort war, um als Überträger zu fungieren.“

…oder doch durch Sex?

Es gibt aber noch ein alternatives Szenario der pikanteren Art: Paranthropus boisei könnte das Virus auch über einen weiteren Zwischenwirt vom Schimpansen bekommen haben: über Homo habilis – einen unserer direkten Vorfahren. Dieser Frühmensch nutzte schon Werkzeuge und könnte gezielt Urzeit-Schimpansen gejagt und ihr Fleisch gegessen haben.

Auch der Homo habilis könnte ein Zwischen-Träger des Herpes-Virus gewesen sein. © Cicero Moraes/CC-by-sa 3.0

Das Pikante daran: Die Übertragung des Herpes-Virus vom Homo habilis auf den Paranthropus erfolgte wahrscheinlich nicht durch Kampf oder übers Essen, sondern beim Sex. Nach Ansicht der Forscher müssen der Frühmensch und sein noch ziemlich affenähnlicher Vetter sexuellen Kontakt gehabt haben, um die Infektion weiterzugeben.

„Diese Übertragung von Homo habilis auf Paranthropus boisei könnte für 60 Prozent der Fälle verantwortlich sein, bei den restlichen 40 Prozent infizierte sich Paranthropus direkt durch Schimpansenfleisch“, so die Forscher.

Vom Paranthropus zum Homo erectus

Der letzte Schritt in der fatalen Infektionskette könnte sich vor 2 bis 1,4 Millionen Jahren am Turkanasee im heutigen Kenia ereignet haben. Denn an diesem Gewässer trafen Vertreter des Paranthropus boisei auf einen weiteren unserer Vorfahren – den Homo erectus. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass es zwischen diesen beiden zeitgleich dort lebenden Arten einen engen Kontakt gab“, sagt Houldcroft.

Wie sich der Homo erectus mit dem Herpes-Virus ansteckte, ist nicht genau bekannt. Die Übertragung könnte über Verletzungen bei Kämpfen zwischen den beiden Homininen passiert sein, aber auch durch Sex oder das Verzehren von Fleisch. „Archäologische Funde sprechen dafür, dass der Homo erectus aktiv jagte“, sagen die Forscher. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der affenähnliche Paranthropus zu ihrer Beute gehörte.

Von Afrika in die ganze Welt

Mit der Infektion des Homo erectus hatte der Genitalherpes endgültig den Sprung in unsere Ahnenlinie geschafft. „Nachdem HSV-2 einmal den Zugang zu unserer Gattung gefunden hat, blieb er und übertrug sich von Mutter zu Kind, aber auch über Blut., Speichel und Sex immer weiter“, sagt Houldcroft. Der Genitalherpes hat sich so immer weiter über Afrika und später die ganze Welt ausgebreitet. (Virus Evolution, 2017; doi: 10.1093/ve/vex026)

(University of Cambridge, 02.10.2017 – NPO)

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