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Biologie

Die Natur hat das Zahnrad zuerst erfunden

Erstes natürliches mechanisches Getriebe bei einer Zikade entdeckt

Die Bio-Zahnräder an den Hinterbeinen der Zikaden-Nymphe © Malcolm Burrows

Kaum etwas symbolisiert die menschliche Technik so sehr wie das Zahnrad. Das Prinzip der Kraftübertragung durch verzahnten Räder nutzt der Mensch schon seit der Antike. Jetzt jedoch zeigt sich: Wieder einmal war die Natur vor uns da. Eine Zikade setzt ein Zahnradsystem aus Chitin ein, um die Bewegung ihrer Hinterbeine beim Springen zu synchronisieren, wie britische Forscher im Fachmgazin „Science“ berichten.

Zugegeben, die Bio-Technik war leicht zu übersehen: Käferzikaden (Issus coleoptratus) sind nur etwa sieben Millimeter große Insekten, die durch die Gärten und Wiesen Europas hüpfen. Bei den Wesen mit dem faszinierenden Mechanismus handelt es sich außerdem auch nur um die Jungtiere der Käferzikade – die erwachsenen Tiere besitzen ihn nicht mehr. Zwar hatte der deutsche Forscher Klaus Sander in den 1950ern bereits ähnliche Strukturen bei anderen Jungzikaden entdeckt, wie diese bei der Käferzikade Issus aussieht und funktioniert, haben nun aber Malcolm Burrows von der University of Cambridge und Gregory Sutton von der University of Bristol genauer offenbart.

Zahnräder als Sprunghilfe

Die beiden Biologen hatten die Winzlinge genau unter die Lupe genommen und waren so auf die Apparatur gestoßen, die die beiden Hinterbeine der Käferzikaden-Nymphen miteinander verbindet. Sie besteht aus zwei ineinander greifenden Bögen – an jedem Sprungbeinansatz einer – die über zehn bis zwölf Zähnchen ineinander greifen.

Eine Nymphe der Käferzikade (Issus coleoptratus) © Malcolm Burrows

Beim Sprung der Zikadennymphen rollen die beiden zahnradartigen Strukturen gegeneinander ab, wie High-Speed-Videoaufnahmen zeigen. Der Sinn dieses Mechanismus liegt auf der Hand: Er soll offenbar die Beinbewegung beim Sprung exakt synchronisieren. DIe Verzahnung verhindert, dass sich ein Bein schneller oder früher bewegt als das andere, was zu einem schiefen Absprung führen würde. Während adulte Tiere diese Synchronität durch gezielte Nervenimpulse erreichen, geschieht dies bei den Jungtieren durch die clevere Mechanik.

Abgerundete Zahnbasis als Überlastschutz

Und auch die Zähne der beiden Bögen sind raffiniert an ihre Aufgabe angepasst: Sie sind an ihrer Basis nicht eckig, sondern abgerundet. Das leite den Druck besser ab und verhindere somit, dass die Zähne durch die mechanische Beanspruchung abbrechen, erklären Burrows und Sutton. Es handelt sich dabei ebenfalls um eine Parallele zur Zahnradtechnik des Menschen: Auch der Zahnkranz, der bei Fahrrädern die Kette antreibt, ist an der Basis abgerundet.

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Die Zähne sind an der Basis abgerundet - wie bei vielen technischen Zahnrädern auch © Malcolm Burrows

Noch ist nicht klar, warum nur die Jungtiere der Käferzikaden die Bio-Getriebetechnik ausgebildet haben. Die Forscher vermuten aber, dass dies mit der Verschleiß-Anfälligkeit des Systems zusammenhängt: Bricht ein Zahn, kann der ganze Mechanismus schnell unwirksam werden oder klemmen. Bei den Jungtieren sind solche Schäden durch die Wachstumshäutungen schnell wieder repariert, da es sich bei den zahnradartigen Strukturen um Teile des Chitinpanzers handelt. Bei den ausgewachsenen Tieren ist dieser automatische Reparaturmechanismus hingegen nicht mehr vorhanden. (Sacience, 2013; doi: 10.1126/science.1240284)

(Science, 13.09.2013 – MVI/NPO)

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