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Umwelt

Deutscher Wald: Keine Besserung in Sicht

Waldzustandsbericht 2022 zeigt anhaltendes Baumsterben in deutschen Wäldern

Tote Bäume
Abgestorbene Fichten im Harz. Auch im Jahr 2022 hat sich der schlechte Zustand des deutschen Walds nicht verbessert. © DR_pics24/ Getty images

Patient Wald: In den deutschen Wäldern sind nur noch 20 Prozent aller Bäume gesund, die restlichen haben mehr oder weniger stark gelichtete Kronen, wie der Waldzustandsbericht 2022 ergeben hat. Betroffen sind alle vier Hauptbaumarten – Fichte, Kiefer, Buche und Eiche. Besonders schlecht ist jedoch der Zustand der Fichten, die 2022 einen neuen Absterberekord erreichten. Als Ursache für das aktuelle Waldsterben gelten neben dem Klimawandel vor allem die zu hohen Strickstoffeinträge durch Verkehr und Landwirtschaft.

Ein Drittel der Landfläche in Deutschland ist von Wald bedeckt – er ist ein wichtiges Refugium für Tier- und Pflanzenarten, ein Klimapuffer und die grüne Lunge vieler Regionen. Doch dem deutschen Wald geht es schlecht: In den letzten Jahren setzten Hitzewellen, Dürren, Schädlinge und Stürme den Waldbäumen immer stärker zu. In einigen Gebieten wie dem Harz sind bereits große Teile des Waldes komplett abgestorben, aber auch anderswo in Deutschland nimmt der Waldverlust zu.

Wie es um den deutschen Wald steht, wird seit den 1980er Jahren regelmäßig mithilfe von Waldzustandserhebungen untersucht. Dafür begutachten eigens geschulte Fachleute jeden Sommer den Kronenzustand der Waldbäume an systematisch über die gesamte Waldfläche Deutschlands verteilten Probenpunkten. Erfasst wird dabei unter anderem die Kronenverlichtung, die die Abweichung von einem voll benadelten oder voll belaubten gesunden Baum angibt. Die Ergebnisse werden im jährlichen Waldzustandsbericht zusammengestellt.

WAldzustandskarte
Ausmaß der Kronenverlichtung bei Waldbäumen in Deutschland © Thünen-Institut für Waldökosysteme 2023

Keine Verbesserung gegenüber den Vorjahren

Jetzt ist der Waldzustandsbericht 2022 erschienen – und er bringt keine guten Nachrichten. „Zwar hat es über alle Baumarten hinweg keine deutliche Verschlechterung der Schadstufenanteile im Vergleich zum Vorjahr gegeben – das Schadensniveau befindet sich jedoch weiterhin auf dem höchsten Niveau seit Beginn der Aufnahmen in den 1980er Jahren“, fasst Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Ergebnisse zusammen.

Konkret hat die Erhebung ergaben, dass rund 35 Prozent aller Waldbäume in Deutschland eine deutlich gelichtete Krone aufweisen, sie haben im Schnitt 25,9 Prozent ihrer Blätter oder Nadeln verloren. Nur jeder fünfte Baum wurde als gesund eingestuft. Besonders betroffen von den Schädigungen sind die für Ökologie und Klimaeffekt besonders wichtigen älteren Bäume ab 60 Jahren: 42 Prozent von ihnen zeigen dem Bericht zufolge deutliche Schäden.

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Fichten leiden am meisten

Der schlechte Zustand betrifft alle vier Hauptbaumarten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche. Bei der Fichte liegt die mittlere Kronenverlichtung bei 29,6 Prozent und damit ähnlich hoch wie im Vorjahr. Drastisch erhöht hat sich aber ihre Absterberate, sie hat mit 4,4 Prozent einen neuen Rekordwert erreicht. Besonders deutlich zeigt sich dies in tieferen Lagen unterhalb von 700 Metern – dort stirbt die Fichte großflächig ab. Ursache sind vor allem die Trockenheit der vergangenen Jahre und der Borkenkäferbefall.

Deutlich zugenommen haben auch die Schäden beim zweiten Nadelbaum unter den Hauptbaumarten, der Kiefer. Mit 23,8 Prozent mittlerer Kronenverlichtung wurde 2022 ein neuer Rekord erreicht. Seit Beginn der Waldzustandserhebung gab es bei der Kiefer noch nie so wenige Bäume ohne sichtbare Schäden wie in diesem Jahr, so der Bericht. Bei Buchen und Eichen hat sich gegenüber dem Vorjahr nur wenig verändert, aber auch sie sind weiterhin deutlich geschädigt: Ihre mittlere Kronenverlichtung liegt bei 27,5 und 26,9 Prozent.

Hitze, Trockenheit und zu viel Stickstoff

Ursache für das aktuelle Waldsterben ist zum einen der Klimawandel: Nach den Dürrejahren 2018 bis 2020 war es zwar im Jahr 2021 etwas regenreicher, das hat aber nicht gereicht, um das Wasserdefizit auszugleichen. Hinzu kommt, dass es auch 2022 erneut zu trocken und warm war und es im Frühjahr 2022 gleich drei Winterstürme kurz hintereinander gab. Sie haben viele geschwächte Bäume umgerissen und für große Schadflächen und mehr Totholz im Wald gesorgt. Dies wiederum erhöht die Gefahr des Schädlingsbefalls.

Ein zweiter Faktor sind zu hohe Stickstoffeinträge aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft. Zwar ist Stickstoff ein wichtiger Pflanzennährstoff, im Überfluss schwächt er jedoch die Bäume, dünnt die Mykorrhiza-Pilze an ihren Wurzeln aus und lässt den Boden versauern. Zudem fördert ein Stickstoffüberschuss die Verarmung der Böden bei anderen wichtigen Pflanzennährstoffen.

Um den Bäumen zu helfen, müssten daher Stickoxidemissionen von Verkehr und Industrie sowie der Düngereinsatz in der Landwirtschaft verringert werden. Parallel dazu versuchen Förster und Waldbesitzer, die Wälder so umzubauen, dass sie widerstandsfähiger gegenüber Hitze und Trockenheit sind. Das allerdings ist aufwendig und dauert Jahrzehnte. (Waldzustandsbericht 2022)

Quelle: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei

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