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Biologie

Delfine rufen sich beim Namen

Meeressäuger imitieren den individuellen Ruf vertrauter Partner

Für uns ist es völlig normal, beim Namen gerufen zu werden. Im Tierreich allerdings war diese Form der individuellen Ansprache unbekannt – bis jetzt. Denn wie Biologen herausgefunden haben, tragen auch Delfine Namen: Sie rufen eine ganz eigene, von Tier zu Tier unterschiedliche Abfolge von Pfeiflauten. Die Meeressäuger signalisieren damit nicht nur ihre eigenen Identität, sie imitieren auch die Namenspfiffe von Artgenossen, um mit diesen in Kontakt zu treten, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“ berichten.

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Dass Tiere Laute in ihrer Umgebung oder von Artgenossen nachahmen, kommt beispielsweise bei Vögeln häufig vor. Singt beispielsweise ein Vogelmännchen Teile aus der Strophe eines Nachbarn, bedeutet dies meist eine Herausforderung oder sogar eine Kampfansage. Denn mit ihrer Imitation signalisieren sie dem Konkurrenten um Weibchen, Territorium oder reichhaltige Futterstelle: Was du kannst, kann ich schon lange! Auch Delfine kommunizieren akustisch, doch jedes Tier besitzt bei ihnen sogar einen echten Namen – quasi einen Signaturpfiff.

Signaturpfiff wird in der Kindheit gelernt

„Dieser entwickelt sich durch akustisches Lernen“, erklären Stephanie King von der University of St. Andrews und ihre Kollegen. In ihrer Jugend lauschen die Meeressäuger den Geräuschen in ihrer Umgebung und entwickeln im Laufe der Zeit daraus ein eigenes, neues Muster an Pfeiflauten – ihre Namenskennung. Aufnahmen belegen, dass etwa die Hälfte aller Pfeiflaute der Meeressäuger aus diesen Signaturpfiffe bestgehen – die Tiere rufen quasi regelmäßig ihren Namen ins Meer hinaus. Aber das ist nicht alles: Die Forscher beobachteten, dass diese Signaturpfiffe in seltenen Fällen von anderen Artgenossen imitiert werden.

„Die Funktion dieser kopierten Pfiffe war aber bisher unklar“, berichten die Biologen. Theoretisch könnte dies einem Rufen beim Namen entsprechen, wie bei uns Menschen üblich. Es könnte aber auch – ähnlich wie bei den Vogelmännchen, als Drohung gemeint sein. Oder aber, auch diese Theorie gibt es, von den Meeressäugern zur Tarnung genutzt werden: Sie gaukeln gewissermaßen vor, ein anderer zu sein, indem sie dessen Pfiff imitieren. Welche Erklärung die richtige ist, wollten King und ihre Kollegen herausfinden, indem sie näher untersuchten, in welchen Situationen und von wem die Signaturpfiffe eines anderen Delfins nachgeahmt wurden.

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Ruf unter Freunden oder Kriegserklärung?

Die These der Forscher: Wenn sich Freunde damit beim Name rufen, sollte diese Form des Kopierens vor allem bei engen Vertrauten vorkommen, dient es der Drohung, müsste es vor allem zwischen Fremden eingesetzt werden. Für ihre Studie werteten die Biologen daher Pfeiflaute einer Population Großer Tümmler (Tursiops truncatus) in der Sarasota Bucht in Florida aus. Diese Gruppe wird seit 1984 intensiv von Biologen beobachtet und erforscht, so dass auch Daten zu den Beziehungsverhältnissen zwischen den Einzeltieren existierten. Die Forscher analysierten das Verhalten und die Rufe von 121 Tieren, darunter 31 Mutter-Kind-Paaren.

Die Auswertung ergab, dass die insgesamt seltenen Pfiffkopien vor allem unter den Delfinen vorkamen, die ein enges Verhältnis miteinander hatten, wie beispielsweise Mütter und ihre Jungen. In zwei Fällen imitierten aber auch männliche Delfine den Namenspfiff eines anderen Männchens, mit dem sie häufig zusammen gesehen wurden.

Kleine Abänderung zeigt, wer ruft

Interessanterweise wandelten die nachahmenden Delfine die Pfiffe ihrer Artgenossen immer ein klein wenig ab: „Die Kopien hatten beispielsweise eine etwas höhere oder niedrigere Frequenz als das Original“, berichten die Forscher. Manchmal setzten die Delfine auch Bruchstücke ihres eigenen Erkennungspfiffs mit ein. Die Meeressäuger sind aber dafür bekannt, sehr gute Lerner zu sein und Laute genau nachahmen zu können. Das lasse es äußerst unwahrscheinlich erscheinen, dass sich die Delfine mit dem fremden Pfiff als jemand anders ausgeben wollten, resümieren die Forscher. Denn in diesem Fall hätten die Nachahmer auf absolut exakte Kopien geachtet.

Nach Ansicht der Wissenschaftler handelt es sich daher bei den nachgeahmten Signaturpfiffen der Delfine tatsächlich um eine Art „beim Namen rufen“. In der Fachsprache wird dies auch referenzielle Kommunikation genannt: Durch den leicht abgewandelten Pfiff signalisiert der Nachahmer, wen er anspricht und gibt gleichzeitig Hinweise auf seine eigene Identität. (Proceedings of the Royal Society B, 2013; doi: 10.1098/rspb.2013.0053)

(Proceedings of the Royal Society B, 20.02.2013 – NPO/ILB)

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