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Biologie

Delfine: Alzheimer durch giftige Algenblüte?

Gestrandete Meeressäuger haben Toxine und Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn

Delfine
Sind giftige Algenblüten dafür verantwortlich, dass Delfine stranden? © marshalgonz/ iStock.com

Gefährliche Algenblüten: Forscher haben möglicherweise aufgeklärt, warum immer wieder Delfine stranden. Eine von Blaualgen-Giften verursachte Demenz könnte die Meeressäuger irregeleitet haben. Darauf deuten hohe Konzentrationen dieser Toxine im Gehirn gestrandeter Delfine hin – und auch für die Alzheimer-Erkrankung typische Beta-Amyloid-Plaques. Ob die Tiere tatsächlich krank waren und wegen kognitiver Defizite strandeten, ist zwar noch unklar. Bestätigt sich der Zusammenhang, könnte dies jedoch auch von Bedeutung für den Menschen sein.

Ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen führen in den Ozeanen immer wieder zur Entwicklung riesiger Teppiche aus Algen oder Cyanobakterien. Die massenhafte Vermehrung bestimmter Arten dieser kleinen Lebewesen färbt die Meeresoberfläche plötzlich grün, manchmal auch blau oder rot. Doch das faszinierende Farbenspiel bedeutet mitunter eine Gesundheitsgefahr für Mensch und Tier.

Der Grund: Manche Algenblüten können hochwirksame Gifte bilden – zum Beispiel das Neurotoxin Beta-Methylamino-L-Alanin, kurz BMAA. Dieser von bestimmten Cyanobakterien produzierte Stoff reichert sich in der marinen Nahrungskette an und wurde unter anderem bereits im Muskelgewebe von Haien nachgewiesen. Forscher vermuten, dass BMAA nicht nur akute Vergiftungserscheinungen auslösen kann. Untersuchungen deuten zudem auf einen Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer hin.

Gestrandete Meeressäuger

Könnte dieses Blaualgentoxin auch das Gehirn gestrandeter Delfine angegriffen haben? Um das zu klären, haben David Davis von der University of Miami und seine Kollegen das Gehirngewebe von insgesamt 14 Tieren untersucht, die zwischen 2005 und 2012 an unterschiedlichen Stellen in Florida und Massachusetts an den Strand gespült worden waren.

Sie wollten wissen: Reichert sich BMAA im Gehirn der Meeressäuger an – und wenn ja, welche Folgen hat das? „BMAA-produzierende Cyanobakterien wurden in all diesen Regionen bereits nachgewiesen“, erklärt das Team. An den Strandungsstellen in Florida sei es in der Vergangenheit zudem wiederholt zu giftigen Algenblüten gekommen.

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Gift im Gehirn

Die Analysen offenbarten: Die Cyanobakterien hatten im Gehirn der Delfine tatsächlich Spuren hinterlassen. Bei 13 der 14 Meeressäuger wiesen die Wissenschaftler hohe Konzentrationen von BMAA nach. Die Werte lagen dabei zwischen 20 und 748 Mikrogramm pro Gramm. Die in Florida gestrandeten Tiere waren im Schnitt dreimal so stark belastet wie die Delfine aus Massachusetts – ein Zusammenhang mit den dort häufig auftretenden Algenblüten scheint dem Team zufolge naheliegend.

Doch Davis und seine Kollegen entdeckten im Gehirn der Meeressäuger nicht nur das Neurotoxin. „Wir haben auch Beta-Amyloid-Plaques und beschädigte Neuronen im Gewebe der Delfine gefunden“, sagt Davis. Ablagerungen der fehlgefalteten Beta-Amyloid-Proteine im Gehirn gelten als ein typisches Symptom der Alzheimer-Erkrankung. Litten die Delfine tatsächlich an diesem neurodegenerativen Leiden?

Kognitive Defizite als Erklärung?

„Die große Frage ist, ob die Meeressäuger kognitive Defizite hatten, die schlussendlich zu ihrem Stranden führten“, konstatiert Mitautor Paul Alan Cox. Mit hundertprozentiger Sicherheit können die Forscher diese Frage zwar nicht beantworten. Ihrer Ansicht nach ist ein Zusammenhang zwischen Algenblüten und Alzheimer aber durchaus denkbar – auch beim Menschen. So wurde BMAA in der Vergangenheit bereits im Gehirn von Alzheimer-Patienten nachgewiesen.

„Wir wissen nicht, ob eine chronische Belastung mit Cyanobakterien Alzheimer beim Menschen auslösen kann. Bis diese Frage geklärt ist, raten wir aber dazu, vorsichtig zu sein“, betont das Team. In Kontakt mit den Giften von Cyanobakterien können Menschen unter anderem beim Baden kommen, aber auch über den Verzehr belasteter Meeresfrüchte. Bestätigen weitere Studien den Zusammenhang könnte das Risiko künftig sogar noch größer werden. Denn durch den Klimawandel nehmen giftige Algenblüten zu. (PLOS One, 2019; doi: 10.1371/journal.pone.0213346)

Quelle: Tager & Company, LLC/ PLOS

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