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Medizin

Darmkeime haben Einfluss auf den „süßen Zahn“

Bestandteile von Escherichia coli-Bakterien hemmen die Lust auf Süßes

Bestandteile bestimmter Darmkeime könnten unsere Lust auf Süßes hemmen © greenchild/ freeimages

Manipulierter Geschmackssinn: Bestimmte Darmkeime könnten uns die Lust auf Süßes verderben. Das zeigt ein Experiment mit Mäusen. Verabreichten Forscher den Tieren bestimmte Zellwand-Bestandteile von Escherichia coli-Bakterien, konnten die Nager Süßes weniger gut schmecken und verloren den Appetit darauf. Funktioniert das auch beim Menschen, könnten die Erkenntnisse künftig vielleicht bei der Bekämpfung von Übergewicht helfen.

Unsere Darmflora ist für unsere Gesundheit immens wichtig. Sie schützt vor Asthma und Autoimmunerkrankungen, stärkt die Immunabwehr unseres Gehirns und spielt eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Übergewicht. Studien belegen: Wird die Entwicklung der Darmflora bei Kindern etwa durch die übermäßige Gabe von Antibiotika gestört, werden sie später häufiger dick.

Tatsächlich sind die Mikroben in unserem Darm womöglich sogar dazu fähig, unsere Essensvorlieben zu beeinflussen. Wie leicht sich der Appetit durch bestimmte Bestandteile der kleinen Organismen manipulieren lässt, zeigt nun eine Studie von Medizinern um Lynnette McCluskey von der Augusta University.

Mäusen auf den „süßen Zahn“ gefühlt

Die Forscher untersuchten an Mäusen, wie sich eine veränderte Darmumgebung auf den sprichwörtlichen „süßen Zahn“ auswirkt. Dafür verabreichten sie den Nagetieren eine veränderte Form des Darmkeims Escherichia coli. Das Bakterium ist ein normaler Bestandteil der Darmflora von Menschen und Tieren, der bei der Verdauung mitwirkt. Doch einige E. coli-Stämme können auch krankmachen.

McCluskey und ihre Kollegen nutzten sogenannte Lipopolysaccharide (LPS) der Bakterien – Teile aus der Zellwand, die für unseren Körper unschädlich sind. „LPS aus E. coli-Bakterien werden bereits in Impfstoffen eingesetzt. Ihren Einfluss auf den Geschmack hat bisher jedoch noch niemand untersucht“, berichten die Wissenschaftler.

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Veränderter Geschmackssinn

Nachdem die Forscher den Mäusen eine kleine Dosis dieser Bakterienkomponenten eingeflößt hatten, reagierte ihr Organismus prompt: Nach etwa fünfzehn Stunden stellten die Wissenschaftler einen erhöhten Spiegel des Sättigungshormons Leptin im Blut der Nager fest. Innerhalb einer Woche war zudem die Anzahl der Geschmacksrezeptoren auf der Zunge zurückgegangen, die auf Süßes reagieren.

Als Folge hatten die Mäuse weniger Lust auf süße Nahrung. Der restliche Geschmack – etwa für Salziges – blieb den Forschern zufolge unverändert. Weitere sieben Tage nach der Gabe der Lipopolysaccharide verschwand der Effekt jedoch wieder. „Die Lipopolysaccharide scheinen eine Ausschüttung des Sättigungshormons effektiv zu fördern und damit vor allem den Appetit auf Süßes zu zügeln“, sagt McCluskey. „Die Ergebnisse belegen, dass schon eine minimale Veränderung in der bakteriellen Umgebung im Darm entscheidende Konsequenzen für den Geschmack hat.“

Strategie gegen Übergewicht?

Die Forscher hoffen, dass die neuen Erkenntnisse künftig im Kampf gegen ungesunde Ernährung und Übergewicht helfen könnten. Zunächst müssen sie jedoch die Wirkweise der E. coli-Komponenten besser verstehen. So ist zum Beispiel unklar, warum es sieben Tage dauert, bis sich der Geschmack verändert und warum der Effekt so schnell wieder verschwindet. „Wir hätten erwartet, dass er länger anhält“, sagt McCluskey.

Die Wissenschaftler wollen in einer nächsten Untersuchung zudem testen, wie sich eine tägliche Gabe der Bakterienbestandteile auf den Geschmackssinn auswirkt. (Association for Chemoreception Sciences, 2016; Abstract)

(Medical College of Georgia at Augusta University, 20.04.2016 – DAL)

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