Anzeige
Biologie

Corona: Welche Tierarten sind anfällig?

ACE2-Rezeptor von Menschenaffen, Walen und Hirschen ähnelt dem unsrigen am meisten

Welche Tiere sind anfällig?
Welche Tierarten könnten anfällig sein für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2? © sansara/ iStock.com

Ob Gorilla, Delfin oder Rentier: Diese Tierarten könnten ähnlich anfällig für SARS-CoV-2 sein wie wir Menschen. Denn ihr ACE2-Rezeptor – die Andockstelle des Coronavirus an den Zellen – gleicht dem unsrigen oder unterscheidet sich kaum, wie nun eine Analyse enthüllt. Zu diesen Tiergruppen mit hohem Risiko zählen Primaten und Meeressäuger, aber auch viele Paarhufer wie Rinder, Ziegen und Wasserbüffel.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 befällt unsere Zellen, indem es mit seinem Spike-Protein an ein bestimmtes Protein auf unseren Zelloberflächen bindet und dann sein Erbgut in das Zellinnere schleust. Dieser ACE2-Rezeptor findet sich unter anderem auf Zellen der Nase, der Lunge und des Darms, aber auch in anderen Organen und im Nervensystem. Damit die Bindungsstelle von SARS-CoV-2 an den Rezeptor andocken kann, muss dieser 25 Aminosäuren in bestimmter Konfiguration aufweisen.

Doch ist der Mensch der einzige, dessen ACE2-Rezeptor genau diese Konfiguration besitzt? Das haben nun Joana Damas von der University of California in Davis und ihre Kollegen untersucht. Dafür analysierten sie die Aminosäurestruktur des ACE2-Rezeptors von 410 Wirbeltierarten – vom Fisch über Reptilien und Vögel bis hin zu 252 Säugetieren. Zusätzlich nutzten die Forscher Modellsimulationen, um die Bindungsfähigkeit verschiedener ACE2-Varianten mit dem Spike-Protein von SARS-CoV2 zu überprüfen.

Tiergruppen
Risikostufen einiger exemplarischer Tiergruppen. © Matt Verdolivo/ UC Davis

Menschenaffen und Makaken sind am anfälligsten

Das Ergebnis: 18 Tierarten haben einen ACE2-Rezeptor, der in allen 25 Aminosäuren mit der menschlichen Variante übereinstimmt. „Diese Tiere haben das höchste Risiko, von SARS-CoV-2 infiziert zu werden“, erklärt Damas. Dazu gehören alle Menschenaffen, aber auch andere Altweltaffen wie Paviane, Gibbons, Rhesusaffen und Makaken. Als nah mit uns verwandte Arten teilen diese Primaten demnach auch unsere Anfälligkeit gegenüber dem Coronavirus.

„Wir prognostizieren, dass Spezies mit einer so hohen Bindungsfähigkeit von SARS-CoV-2 an ihren ACE2-Rezeptor ein hohes Infektionsrisiko haben“, sagen Damas und ihr Team. Dies bestätigt die Befürchtung, dass die ohnehin stark bedrohten Menschenaffen im Zuge der Corona-Pandemie zusätzlich gefährdet sein könnten. Schon jetzt herrschen deswegen in vielen Schutzgebieten strenge Auflagen und Zugangsverbote.

Anzeige

Meeressäuger ebenfalls gefährdet

Ebenfalls ein hohes Risiko haben 28 weitere Säugetierarten. Ihr ACE2-Rezeptor stimmt in 20 bis 24 Untereinheiten mit dem unsrigen überein. Dazu gehören auffällig viele Meeressäuger wie Belugas, Delfine, Orcas, Schweinswale und Narwale. „Zwölf der 14 untersuchten Walarten sind in dieser Risikogruppe, davon zwei bedrohte Arten: der Chinesische Flussdelfin und der Ostasiatische Glattschweinswal“, so die Forscher.

Besonders brisant dabei: Zahnwale haben im Laufe der Evolution ein Gen verloren, das bei anderen Säugetieren eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von Viren spielt, wie Damas und ihr Team erklären. Deswegen könnte eine Infektion mit dem Coronavirus bei diesen Meeressäugern zu größeren Ausbrüchen führen. In jedem Falle raten sie in Aquarien, Zoos und auch beim Fang dieser Wale und Delfine zu erhöhter Vorsicht.

In die gleiche Risikostufe wie diese Wale und Delfine fallen außerdem einige Lemuren, der Große Ameisenbär und der als Haustier beliebte Chinesische Hamster.

Erhöhtes Risiko auch bei Rentieren, Rindern und Ziegen

Ungewöhnlich ist der hohe Anteil von Paarhufern in den Kategorien mit erhöhtem Risiko. So besitzen Hirscharten wie die Rentiere, Weißwedelhirsche und einige weitere 21 der 25 Aminosäuren unseres ACE2-Rezeptors, wie die Analysen ergaben. Ebenfalls in dieser Gruppe vertreten sind viele Nutztiere wie Rinder, Ziegen, Yaks, Wasserbüffel und Zeburinder, außerdem einige häufig in Zoos und Wildparks gehaltene Paarhufer wie Bisons, Giraffen und einige Antilopenarten.

„Das könnte bedeuten, das auch Wiederkäuer als Reservoir für SARS-CoV-2 fungieren könnten“, sagen Damas und ihre Kollegen. „Sollte sich dies bestätigen, dann wäre dies sowohl epidemiologisch von großer Bedeutung als auch für die Nahrungsproduktion und die Wildtierhaltung.“ Interessanterweise scheinen dagegen Kamele und Schweine – beides Paarhufer, die für andere Coronaviren anfällig sind – zumindest in Bezug auf ihren ACE2-Rezeptor ein geringes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion zu besitzen.

Kaum ACE2-Übereinstimmungen bei Fledermäusen

Überraschend ist das Ergebnis für die 37 getesteten Fledermausarten: „Alle Fledermausarten landeten in der niedrigsten oder zweitniedrigsten Kategorie, darunter auch die Chinesische Hufeisennase, die als Hauptverdächtiger für die Übertragung von SARS-CoV-2 auf den Menschen gilt“, berichten die Wissenschaftler. „Dieses Ergebnis ist wirklich verblüffend.“ Denn von Fledermäusen ist bekannt, dass sie eine Vielzahl von Coronaviren in sich tragen, darunter auch RaTG13, das als enger Verwandter von SARS-CoV-2 gilt.

Allerdings haben auch schon andere Studien, darunter Infektionsversuche mit Zellkulturen, Hinweise darauf geliefert, dass das Coronavirus erstaunlich schlecht oder gar nicht an das Fledermaus-ACE2 bindet. Obwohl die Flattertiere nachweislich Coronaviren wie RaTG13 und andere SARS-Verwandte in sich tragen, scheinen sie demnach wenig anfällig zu sein. Alternativ könnte es auch sein, dass SARS-CoV-2 und Co bei den Fledermäusen einen anderen Rezeptor für den Zelleintritt nutzt, mutmaßen die Forscher.

Überprüfung durch Experimente nötig

„Unsere Daten liefern damit einen wichtigen Startpunkt, um anfällige und potenziell durch SARS-CoV-2 gefährdete Tierarten zu identifizieren“, sagt Damas Kollege Harris Lewin. Immerhin seien unter den als potenziell anfällig eingestuften Arten rund 40 Prozent bedrohte und geschützte Spezies.

Allerdings sind dies Ergebnisse erst der erste Schritt: „Auch wenn unsere Studie für verschiedene Spezies eine potenzielle Anfälligkeit ergeben hat, muss die tatsächliche Infektiosität erst noch mit Zellkulturen, Organoiden und anderen Experimenten überprüft werden“, betonen die Forscher. „Solange dies nicht geschehen ist, warnen wir davor, die Prognosen unserer Studie zu überinterpretieren.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2020; doi: 10.1073/pnas.2010146117)

Quelle: University of California – Davis

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

News des Tages

Mittelmeer

Umgekippte Erdplatte im Mittelmeer entdeckt

Wie Urzeit-Mikroben Wasserstoff spalteten

Neue Hoffnung für Voyager 1

Bücher zum Thema

Virus - Die Wiederkehr der Seuchen von Nathan Wolfe

Top-Clicks der Woche