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Biologie

Castingshow im Lymphknoten

Studie: Das scheinbar planlose Hin und Her der Zellen optimiert Immunantwort

Modell der Verteilung von Immunzellen im Lymphknoten. Die dunkle Zone ist da, wo es dominant blau ist, die helle, wo es dominant grün ist. © Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Lymphknoten sind die Marktplätze des Immunsystems: Hier tauschen Zellen Informationen über eingedrungene Krankheitserreger aus und bereiten eine passende Immunantwort vor. Was von außen betrachtet wie ein heilloses Durcheinanderwimmeln von abertausend Zellen scheint, ist in Wirklichkeit aber hochgeordnet und zielgerichtet. Braunschweiger Forscher haben nun ein mathematisches Modell für die Bewegung von Immunzellen im Lymphknoten entwickelt.

Die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) konnten damit in der Fachzeitschrift „Cell“ die Ergebnisse internationaler Kooperationspartner, der Rockefeller University in New York, USA und der New York School of Medicine, erklären. Ihre Erkenntnis: Die Immunzellen durchlaufen beim Hin- und Herwandern einen Optimierungs-Zyklus, an dessen Ende die passende Immunantwort auf den jeweils eingedrungenen Erreger steht.

Keimzentren in den Lymphknoten

So genannte Keimzentren in den Lymphknoten, in denen Abwehrzellen heranreifen, spielen eine Schlüsselrolle bei der Immunantwort. Sie wurden erstmals im 19. Jahrhundert beschrieben und werden räumlich in eine helle und eine dunkle Zone eingeteilt. Jedoch ist bis heute nicht vollständig verstanden, was in den beiden Zonen geschieht und welche Rolle die Bewegung der Abwehrzellen zwischen ihnen spielt.

Schaut man sich die Zellen normalerweise im Mikroskop an, erwecken sie den Eindruck, als würden sie sich rein zufällig bewegen. „Das scheinbare Chaos im Lymphknoten ist in Wirklichkeit hochgradig geordnet“, sagt Michael Meyer-Hermann vom HZI. Ob hinter dieser Zellbewegung aber ein System steckt, darüber diskutierten Wissenschaftler in der Vergangenheit kontrovers.

Geordnetes Chaos im Lymphknoten

Die erstaunlichen Ergebnisse der aktuellen Studien zeigen nun jedoch deutlich: Der Informationsaustausch im Lymphknoten baut auf einer geordneten Bewegung der Zellen auf, die zwischen den beiden räumlich getrennten Zonen hin und her wandern. In diesem Prozess werden, Runde für Runde, nur die am besten für den jeweiligen Keim passenden Abwehrzellen ausgewählt, um dann dem Organismus die optimalen Waffen, wirksame Antikörper, zur Verfügung zu stellen.

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Produktion von optimierten Antikörpern

„Es ist ein sich permanent wiederholender Zyklus von Veränderung in der dunklen Zone und Auswahl guter Zellen in der hellen Zone“, sagt Meyer-Hermann. „Die Immunzellen vermehren sich, mutieren und verändern dabei ihre Antikörper leicht. Das Immunsystem prüft dann, ob diese Mutationen eine bessere Immunabwehr liefern – falls ja, wählt es die betreffenden Zellen aus. Dann beginnt der Zyklus von neuem. Am Ende steht die Produktion von optimierten Antikörpern, die effizient an den jeweiligen Erreger binden können und ihn so für Fresszellen markieren.“

Neue Methode ermöglicht es, einzelne Zellen zu verfolgen

Um untersuchen zu können, welchen Weg einzelne Zellen im Lymphknoten gehen, entwickelten amerikanische Forscher der New Yorker Rockefeller University und der New York School of Medicine in den USA eine neuartige Darstellungsmethode: Die Forscher brachten ein Gen in die Erbinformation von Mäusen ein, das die Immunzellen mit einem Farbstoff ausstattet. Das besondere an diesem Farbstoff ist seine Eigenschaft erst dann zu leuchten, wenn er mit einem Lichtstrahl von einer bestimmten Wellenlänge aktiviert wird. Wenn die Forscher eine Zelle untersuchen wollen, aktivieren sie den Farbstoff, die Zelle fängt an zu leuchten und die Wissenschaftler verfolgen ihren Weg im Lymphknoten der Mäuse.

Bald bessere Impfungen?

Die hochgradig gerichtete Bewegung konnte erst durch die neue Messmethode zusammen mit einer mathematischen Modellierung der Übergangshäufigkeiten zwischen den Zonen aufgedeckt werden. „Unsere Analyse der Zellbewegung belegt deutlich, welchen Stellenwert heutzutage die Mathematik in der Biologie hat“, so Meyer-Hermann. „Zur Lösung wichtiger wissenschaftlicher Fragestellungen werden aus den mathematischen Modellen Vorhersagen abgeleitet, die die Grundlage für neue Experimente sind und Daten verständlich machen.“

Die neuen Erkenntnisse zur Auswahl von Immunzellen und Optimierung einer Immunantwort können laut dem Forscher entscheidend dabei helfen, in Zukunft Impfungen zu verbessern, bei denen auch die Bildung hoch wirksamer Antikörper im Körper eine wichtige Rolle spielt.

(idw – Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 16.11.2010 – DLO)

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