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Medizin

BSE-Erreger noch gefährlicher als gedacht?

Lymphgewebe bieten Prionen ein Refugium im neuen Organismus

BSE-Befund © CDC

Krankheitserregende Prionen können leichter von einer Art zur anderen überspringen als bisher angenommen. Gewebe des Lymphsystems, wie beispielsweise die Milz, dienen dabei als Refugium im neuen Organismus. Das haben französische Forscher in Versuchen mit Mäusen festgestellt. Deren Milz sei gegenüber drei artfremden Prionen, darunter auch dem Erreger des Rinderwahns (Bovine spongiforme Enzephalopathie, BSE), bis zu zehnfach empfänglicher gewesen als das Gehirn. Die Prionen konnten sich in der Milz ihres neuen Wirtes vermehren und hielten sich dort jahrelang. Das stelle die bisher angenommene strenge Artbarriere für Prionen beispielsweise zwischen Rindern und dem Menschen in Frage, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Science“.

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Krankheiten wie der Rinderwahn bei Kühen, Scrapie bei Schafen oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen werden durch Prionen ausgelöst. Diese Krankheitserreger bestehen aus fehlgefalteten Proteinen. Gelangen sie in das Gehirn eines Organismus, bringen sie die dort vorkommenden gesunden Prionproteine zum Umklappen und führen so zu fortschreitenden Störungen der Gehirnfunktion.

Bisher gingen Forscher davon aus, dass diese Vermehrung nur stattfinden kann, wenn gesunde und fehlgefaltete Prionen von der gleichen Tierart stammen. Befallen dagegen die Erreger einen artfremden Organismus, passen die Proteinstrukturen nicht zusammen. Dadurch, so dachte man, sei eine Vermehrung der Prionen nicht möglich. Diese Artbarriere sollte auch verhindern, dass Menschen durch den Genuss von BSE- oder Scrapie-verseuchten Lebensmitteln erkranken. Doch die neuen Erkenntnisse stellen diese Annahme in Frage.

Hohe Dunkelziffer möglich

„Die menschliche Schutzbarriere gegenüber BSE-Prionen könnte dramatisch löchriger sein als zuvor angenommen“, warnen Vincent Béringue vom Institut National de la Recherche Agronomique im französischen Jouy-en-Josas. Sehr viel mehr Menschen könnten bereits BSE-Erreger in ihren Lymphgeweben tragen, ohne dass dies mit herkömmlichen, nur auf das Gehirn ausgerichteten Nachweismethoden entdeckt worden sei.

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Die unentdeckte Ansammlung von Prionen in der Milz und anderen Lymphgeweben führe möglicherweise dazu, dass diese Erreger bei Operationen, durch Blutspenden oder Organtransplantationen an andere Menschen übertragen werden könnten, sagen die Forscher. Dadurch könnten beispielsweise auch Prionen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verbreitet werden. Es sei daher dringend nötig, den Anteil der stillen Träger solcher Prionen genauer zu ermitteln.

Genveränderte Mäuse mit artfremden Prionen infiziert

Für ihre Studie hatten die Forscher unter anderem genveränderte Mäuse genutzt, die die menschliche Variante gesunder Prionproteine in Gehirn und anderen Geweben produzierten. Diesen Mäusen injizierten sie BSE-Prionen von Rindern oder von Ziegen direkt ins Gehirn.

Nach Ablauf einiger Zeit fanden sich in den Gehirnen der meisten Mäuse keine BSE-Prionen mehr, wie die Forscher berichten. Die Erreger habe sich dort aufgrund der Artbarriere nicht halten können. Dafür aber habe man in 26 von 41 Milzproben die Krankheitserreger gefunden. Die Rinder-Prionen waren vom Gehirn in das Lymphgewebe gewandert und hatten sich dort vermehrt. Das geschah, obwohl ihr Muster von dem der dort vorhandenen gesunden menschlichen Prionen abwich.

Große Teile des Lymphgewebes – beispielsweise im Rachen, aber auch im Verdauungstrakt – kommt mit der Nahrung in Berührung. Daher sei es sehr wahrscheinlich, dass artfremde Prionen auch über die Nahrung in die Milz und andere Lymphgewebe gelangen und sich dort halten könnten, sagen die Forscher. (Science, 2012; doi:10.1126/science.1215659)

(Science / dapd, 27.01.2012 – NPO)

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