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Ökologie

Borneo: Die Orang-Utans verschwinden

Zahl der Menschenaffen hat sich in den letzten 16 Jahren um mehr als 100.000 verringert

Ein Orang-Utan-Weibchen mit Nachwuchs: Dieser Anblick wird auf Borneo immer seltener. © Marc Ancrenaz

Dramatischer Verlust: In den vergangenen 16 Jahren ist die Zahl der Orang-Utans auf Borneo um mehr als 100.000 Tiere zurückgegangen. Schuld an dieser Dezimierung sind vor allem die Abholzung der Regenwälder und die Wilderei, wie Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten. Sie warnen, dass die Population der bedrohten Menschenaffen ohne entsprechende Schutzmaßnahmen in Zukunft noch weiter schrumpfen könnte.

Orang-Utans sind die größten baumbewohnenden Säugtiere – und die letzten verbliebenen Großen Menschenaffen Asiens. Verbreitet sind die rostroten Primaten auf den Inseln Sumatra und Borneo. Doch dort sind sie mehr und mehr bedroht. Durch die Abholzung von Regenwäldern und andere menschliche Aktivitäten zerfällt der Lebensraum der charismatischen Baumbewohner in Fragmente und schrumpft. Wilderei gefährdet die Tiere zusätzlich.

An dieser Bedrohungslage konnten offenbar auch intensive Schutzbemühungen nichts ändern. Denn trotz solcher Maßnahmen ist die Zahl der Orang-Utans auf Borneo in den vergangenen 16 Jahren dramatisch zurückgegangen, wie Forscher um Maria Voigt vom Max-Planck-Institut für Anthropologie in Leipzig nun berichten.

Schneller Rückgang

Für ihre Volkszählung unter den roten Riesen haben Voigt und ihre Kollegen zwischen 1999 und 2015 durchgeführte Feldstudien ausgewertet. Auf Basis der dabei gezählten Orang-Utan-Nester schätzten sie die Stärke und Entwicklung der Population auf der Insel ab. Die neuen Zahlen deuten zwar einerseits daraufhin, dass es auf Borneo ursprünglich mehr Orang-Utans gab als angenommen. Andererseits verschwinden sie aber auch schneller als vermutet.

Das erschreckende Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Menschenaffen ist in den vergangenen 16 Jahren in Bedrängnis gekommen. Insgesamt verringerte sich die Zahl der Orang-Utans dabei um mehr als 100.000 Tiere. Von den 64 auf der Insel verteilt lebenden Gruppen bestehen heute nur noch 38 aus mehr als 100 Individuen, wie das Team berichtet. Diese Zahl gilt als Mindestgröße, damit eine Population auf Dauer überlebensfähig ist.

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Palmölplantagen wie diese nehmen den Menschenaffen ihren Lebensraum. © Marc Ancrenaz

Problem Wilderei

Die Gründe für diesen Rückgang sind eindeutig: Am dramatischsten verringerte sich die Zahl der Orang-Utans dort, wo Gebiete abgeholzt oder in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt wurden. Doch auch in vollkommen unberührten Wäldern oder solchen, in denen nur selektiv Holz geschlagen wird, verschwinden Tiere.

Dort ist zwar nicht die Rate des Rückgangs, wohl aber der zahlenmäßige Verlust am höchsten. Denn dort leben die meisten Orang-Utans. Ein möglicher Grund für diese überraschend großen Verluste in vermeintlich unberührten Wäldern: In diesen Rückzugsgebieten treiben unter anderem Wilderer ihr Unwesen, die es auf das Fleisch der Affen oder niedliche Jungtiere für den Haustierhandel abgesehen haben.

Anpassungsfähiger als gedacht

Genau diese hohen Tötungsraten sind es, die die Menschenaffen nicht verkraften können: „Orang-Utans haben nur selten und wenig Nachwuchs. Eine frühere Studie zeigt: Wenn nur einer von 100 ausgewachsenen Orang-Utans pro Jahr aus einer Population entfernt wird, stirbt diese Population sehr wahrscheinlich aus“, sagt Mitautor Serge Wich von der John Moores University in Liverpool.

Daneben gibt es aber auch etwas Positives zu vermelden: Orang-Utans wurden oft als sehr sensible Tiere beschrieben, die nur unter den besten ökologischen Bedingungen überleben können. Die neuen Daten zeigen jedoch, dass die Menschenaffen anpassungsfähiger sind als gedacht. So kommen sie überraschenderweise auch in stärker degradierten Wäldern und sogar in einigen Plantagen vor und können selbst in kleinen Waldgebieten überleben.

Zehntausende Borneo-Orang-Utans könnten in den nächsten 35 Jahren allein durch die Zerstörung ihrer Lebensräume verschwinden. © Marc Ancrenaz

Kein Grund zur Entwarnung

Schon frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Tiere sich an neue Nahrung gewöhnen können und sich nicht nur von Baum zu Baum, sondern auch auf dem Boden effizient fortbewegen. Womöglich liegt es auch an dieser Flexibilität, dass es auf Borneo noch einige halbwegs stabile Populationen gibt.

Ein baldiges Aussterben der Baumbewohner sei dank dieser stabileren Populationen nicht zu befürchten. Grund zur Entwarnung sei dies aber trotzdem nicht, schreiben die Forscher. Denn ihre Schätzung zeigt: Weitere 45.000 Orang-Utans könnten in den nächsten 35 Jahren allein durch die Zerstörung ihrer Lebensräume verschwinden – die Wilderei ist da noch nicht mitgerechnet.

Intensivere Maßnahmen nötig

Voigt und ihre Kollegen fordern deshalb, dass die Jagd auf Fleisch, das Töten der Tiere in Konfliktsituationen und der Haustierhandel künftig stärker angegangen werden müssen. Mögliche Maßnahmen dagegen wären eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, Hilfsangebote zur Konfliktlösung in den Gemeinden und eine konsequentere Strafverfolgung von Wilderei und illegalen Rodungen.

„Für den Artenschutz ist es wichtig, dass die Botschaft aus unserer Studie von den indonesischen und malaysischen Naturschutzbehörden aufgegriffen wird, und dass geeignete Strategien entwickelt werden, die den aktuellen Populationsrückgang berücksichtigen“, sagt Erik Meijaard von der University of Queensland in Brisbane. (Current Biology, 2018; doi: 10.1016/j.cub.2018.01.053)

(Cell Press/ Max-Planck-Gesellschaft, 16.02.2018 – DAL)

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