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Biologie

Bonobo fertigt Werkzeuge wie Frühmenschen

"Kanzi" ist sowohl bei der Produktion als auch beim Einsatz der Hilfsmittel äußerst geschickt

Bonobo Kanzi © Great Ape Trust

Der Bonobo Kanzi – bereits bekannt wegen seines Kommunikationstalents – ist ein überaus geschickter Werkzeugmacher und -nutzer: Er fertigt sich Steinwerkzeuge wie Hämmer oder scharfe Bohrer an und nutzt sie gezielt für bestimmte Aufgaben. Das haben Forscher aus Israel und den USA beobachtet, als sie den 30-jährigen Menschenaffen nach vergrabenem und im Inneren eines Baumstamms eingeschlossenen Futter suchen ließen. Damit ist Kanzi sozusagen in der Steinzeit angekommen: Seine Fertigkeiten und seine Werkzeuge gleichen praktisch aufs Haar denen unserer Urahnen, den frühesten Vertretern der Gattung Homo, die vor rund zwei Millionen Jahren in Afrika lebten. Das berichtet das Wissenschaftsmagazin „New Scientist“.

Kommunizieren per Symbolsprache

Bonobos, die eng mit den Schimpansen verwandt sind, gelten ohnehin als äußerst intelligente Menschenaffen. Kanzi sticht jedoch unter seinen Artgenossen heraus: Er beherrscht eine Art Symbolsprache, über die er entweder mit Hilfe einer speziellen Tastatur oder mit Tafel und Kreide mit seinen Pflegern kommunizieren kann. Außerdem zeigte er schon früh ein Faible für Werkzeuge: In den 1990er Jahren brachten Forscher ihm bei, von einem Feuerstein mit einem anderen Stein Stücke abzuschlagen und die scharfen Splitter dann zu nutzen, um Seile oder Lederbänder durchzuschneiden.

Doch offenbar war ihm das noch nicht genug, zeigen die neuen Beobachtungen. Dabei hatten Eviatar Nevo von der Universität in Haifa und seine Kollegen Futterstückchen in einen hohlen Baumstamm gesteckt und diesen anschließend wieder versiegelt. Zusätzlich vergruben sie ein paar Snacks unter Steinen, in losem Sand und in festem Lehmboden. Anschließend ließen sie Kanzi und seine Halbschwester Pan-Banisha nach dem Futter suchen und stellten ihnen dazu verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung: Äste, Stücke von Hirschgeweihen und eine Auswahl von Steinen, darunter Sandsteine, Granitstücke und Feuersteine.

Hämmer, Äxte und Bohrer aus Feuerstein

Beide Bonobos bearbeiteten die Feuersteine, beobachteten die Forscher. Doch während Pan-Banisha die Bruchstücke, unabhängig von ihrer Form, ausschließlich zum Graben nutzte und den Baumstamm lediglich auf den Boden warf, war Kanzis Werkzeugeinsatz unerwartet differenziert: Er verwendete zum Graben vor allem breite, flache Steinstücke, wenn er mit einem Stock nicht weiterkam. Dem Baumstamm rückte er sowohl mit schwerem Gerät als auch mit feineren Werkzeugen zuleibe: einem großen Stein, den er wie einen Hammer einsetzte, anderen Bruchstücken, die als Axt und als Keile dienten sowie kleineren scharfen Fragmenten, die Schnittwerkzeuge und als Bohrer zum Einsatz kamen. Er konzentrierte sich dabei vor allem auf die Schnittstellen, an denen der Stamm wieder zusammengeklebt worden war und die somit auch dessen größte Schwachstellen darstellten.

Auf diese Weise schaffte Kanzi in allen 24 Versuchen auch tatsächlich, an das Futter im Stamm heranzukommen, Pan-Banisha gelang es dagegen nur in zwei Fällen. Das zeige, dass zumindest einzelne Bonobos prinzipiell technische Fähigkeiten besitzen, die bisher als typisch für den Menschen und seine Vorfahren galten, kommentieren die Wissenschaftler. Damit müsse die Frage gestellt werden, ob diese Kompetenz tatsächlich erst mit dem Aufkommen der Gattung Homo entstand oder ob sie nicht vielmehr bereits beim gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Bonobos vorhanden war. Um das zu beantworten, muss jedoch noch umfassender geprüft werden, ob Kanzis Fähigkeiten einzigartig und möglicherweise auf seine ungewöhnliche Lebensweise in direkter Nähe des Menschen zurückzuführen sind oder ob auch noch andere Bonobos zu solchen Leistungen imstande sind.

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(New Scientist, 23.08.2012 – ILB)

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