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Biologie

Blutsauger ohne Geschmack

Vampirfeldermäuse können "süßes" Blut gar nicht schmecken

Vampirfledermaus - ihr Geschmackssinn ist sehr eingeschränkt © Nick Gordon/ www.ardea.com

Vampirfledermäuse sind die Blutsauger unter den Säugetieren. Wie dieses Blut aber schmeckt, nehmen die Flattertiere kaum wahr. Denn sie können weder süß noch umami schmecken und auch Bitteres nehmen sie nur sehr schwach wahr, wie Forscher jetzt herausgefunden haben. Ob ihre Beute „süßes“ Blut hat oder nicht, spielt für die Blutsauger daher keine Rolle.

Wir Menschen und viele andere Säugetiere können fünf Grundaromen schmecken: süß, salzig, sauer, bitter und umami – einen fleischig-herzhaften Geschmack. Es gibt allerdings Tiere, die einen oder mehrere Geschmackssinne verloren haben. So können beispielsweise Katzen und viele andere Raubtiere nichts Süßes mehr schmecken. Die reine Fleischkost macht diesen Geschmackssensor überflüssig.

Eine Geschmacksrichtung nimmt allerdings eine Sonderstellung ein: Bitterkeit. „Bittergeschmack dient als wichtiger natürlicher Schutz gegen giftige Nahrung und gilt daher als unverzichtbar“, erklären Wei Hong und Huabin Zhao von der Wuhan Universität in China. Bisher kannte man nur ein Säugetier, dass trotzdem keinen Bittersinn besitzt: den Delfin. Er schlingt seine fischige Beute ohnehin im Ganzen herunter, so dass seinen Geschmackssensoren keine Zeit bleibt, vor möglichen bitteren Giften zu warnen, so die gängige Erklärung für diese Ausnahme.

Speisplan: Blut, Blut, Blut

Eine weitere in dieser Hinsicht ungewöhnliche Tiergruppe haben Hong und Zhao jetzt ausgemacht: die Vampirfledermäuse. Die drei in Südamerika beheimateten Arten dieser Gruppe trinken das Blut von Vögeln und anderen Säugern und fressen sonst nichts anderes. Sie nutzen dabei einen sensiblen Infrarotsensor, um Adern unter der Haut ihrer Beutetiere aufzuspüren. Mit ihren scharfen Zähnen ritzen sie die Haut dann an dieser Stelle an und lecken das austretende Blut auf.

Das Blut ihres Opfers leckt die Fledermaus mit der Zunge auf. © Bruce Dale/ National Geographic

Angesichts dieser extrem einseitigen Ernährung stellte sich für die beide Forscher die Frage, ob die flatternden Blutsauger ebenfalls im Laufe der Evolution einige oder mehrere Geschmackssensoren verloren haben und wann. Um das zu untersuchen, suchten sie im Genom der drei Fledermausarten nach den Genen für diese Sensoren und verglichen deren Zustand mit dem anderer, sich vielseitig ernährender Fledermausarten.

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Süß und umami Fehlanzeige

Wie sich zeigte, haben Fledermäuse tatsächlich einen sehr eingeschränkten Geschmackssinn: Süßes und umami schmecken sie überhaupt nicht, die Gene für diese Sensoren sind nicht funktionsfähig. „Unsere Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass der Süß- und Umami-Geschmack schon im gemeinsamen Vorfahren der drei Vampirfledermäuse vor rund 26 Millionen verloren gegangen ist“, berichten die Forscher. Vermutlich ernährte sich auch er bereits von Blut.

Und auch beim Bittergeschmack zeigten sich deutliche Anzeichen für eine zumindest sehr starke Abstumpfung dieser Sinneswahrnehmung: Viele Gene für die Bitterrezeptoren sind bei den Blutsaugern durch Mutationen still gelegt. Das bestätigen auch Verhaltensexperimente mit der Vampirfledermaus Desmodus rotundus: Sie mied mit Bitterstoffen versetztes Blut erst dann, wenn der Geschmack extrem intensiv wurde.

Es geht auch ohne – im Ausnahmefall

Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass der Bittergeschmack offenbar doch weniger unverzichtbar ist als ursprünglich angenommen. In Ausnahmefälle wie dem Delfin und jetzt auch den Vampirfledermäusen kann dieser wichtige Warnsinn trotz seiner Bedeutung ganz oder teilweise verloren gehen – weil er ihnen ohnehin wenig nützt. Denn bei dem Blut, das die Vampirfledermäuse trinken, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass es jemals bitter oder giftig ist, wie die Forscher erklären.

Hinzu kommt: Die Blutsauger verlassen sich beim Beutesuchen und Fressen mehr auf andere Sinne als ihren Geschmack, darunter den Geruch, die Wärme und die Echoortung. Das könnte das Abstumpfen ihres Geschmacks kompensieren. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2014; doi: 10.1098/rspb.2014.1079)

(Royal Society, 25.06.2014 – NPO)

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