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Umwelt

Bisphenol A verführt Fische zum Fremdgehen

Umweltchemikalie lässt Karpfen mit Weibchen einer anderen Art flirten

Männliches Exemplar der Amerikanischen Rotflossenorfe (Red Shiner; Cyprinella lutrensis), eines kleinwüchsigen, in Nordamerika beheimateten Karpfenfisches. © Marine discovery / CC BY-SA 3.0

Die in Weichmachern vorkommende Substanz Bisphenol A verwirrt die Arterkennung bei Fischen: Der Blacktail Shiner, eine in den USA heimische Karpfenart, umwirbt unter dem Einfluss der Chemikalie nicht mehr nur seine Artgenossinnen, sondern die Weibchen des nahe verwandten Red Shiner. Das berichten US-amerikanische Forscher im Fachmagazin „Evolutionary Applications“. Die irregeleiteten Paarungen führten vermehrt dazu, dass Hybride – Artmischlinge – entstehen. Solche Überschreitungen der Artgrenzen könnten erhebliche ökologische und evolutionäre Konsequenzen haben, warnen die Forscher. Denn vor allem ohnehin gefährdete Arten könnten durch diesen Effekt der Weichmacher in Gewässern noch weiter zurückgehen.

„Chemikalien aus Haushaltsprodukten und Medikamenten enden häufig in Flüssen“, kritisiert Erstautorin Jessica Ward von der University of Minnesota in Minneapolis. Auch Bisphenol A (BPA) aus den vor allem in Kunststoffen vorkommenden Weichmachern finde sich bereits in vielen Gewässern. Studien haben gezeigt, dass die hormonähnlich wirkende Chemikalie bei den Männchen vieler Tierarten zu Unfruchtbarkeit und Verweiblichung führt. „Die bisherigen Studien haben aber vor allem den Effekt von Bisphenol A auf Einzeltiere untersucht“, erklärt Ward. Jetzt habe man erstmals festgestellt, dass Bisphenol A auch auf der Ebene von Populationen wirke – indem es beispielsweise Kreuzungen zwischen Arten fördere.

Blacktail Shiner und Red Shiner sind eng miteinander verwandte kleinwüchsige Karpfenarten. Der Blacktail Shiner ist an einem schwarzen Punkt auf seiner Schwanzflosse zu erkennen, der Red Shiner an seinen rotgefärbten Flossen. Nur die schwarzflossige Art ist in den Flüssen des US-Bundesstaats Georgias heimisch. Der Red Shiner kommt ursprünglich aus dem Mississippi-Becken und gilt in Georgia als invasive, vom Menschen eingeführte Art.

Balzversuche unter Weichmacher-Einfluss

Für ihre Studie fing das Forscherteam Exemplare beider Arten ein und hielt sie zunächst 14 Tage lang in Wassertanks. Das Wasser in der Hälfte der Becken war mit dem Weichmacher BPA versetzt. Am 15. Tag setzte die Forscher Tiere beider Geschlechter zusammen und beobachteten deren Verhalten. Dabei achteten sie besonders auf die Balzversuche der Fische, wie etwa spezifische Farbwechsel, mit denen männliche Tiere ihre Auserwählte umwerben.

Die Versuche ergaben deutliche Unterschiede zwischen den mit und ohne Bisphenol A gehaltenen Karpfen, wie die Forscher berichten. Unter Weichmacher-Einfluss umwarben die Fische nicht mehr nur Artgenossen, sondern auch artfremde Geschlechtspartner. In dem BPA-belasteten Lebensraum verbrachten die Weibchen beider Arten deutlich mehr Zeit mit Männchen der jeweils anderen Art. In den Becken ohne die Chemikalie kamen Weibchen dagegen nur selten auf die Idee sich mit artfremden Männchen zu umgeben.

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Einen ähnlichen Einfluss habe die hormonähnlich wirkende Chemikalie auch auf die Fischmännchen gehabt, sagen Ward und ihre Kollegen. In dem mit Bisphenol A versetzten Wasser hätten diese gleichermaßen rot- wie schwarzflossige Weibchen umworben. Die Männchen des Red Shiner verloren zudem auch ihre typische Balzfärbung: Die rote Farbe der Flossen sowie der bläuliche Schimmer ihres Körpers ließen bei BPA-belasteten Tieren sichtbar nach, wie die Forscher berichten. (doi:10.1111/j.1752-4571.2012.00283.x)

(Evolutionary Applications, 12.07.2012 – IRE)

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