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Biologie

Biologische Uhren regeln doppelt

Steuerung des biologischen Tagesrhythmus erfolgt robust und sensibel zugleich

Biologische Uhren bestimmen unseren Tagesrhythmus © IMSI MasterClips

Beim Reisen über mehrere Zeitzonen hinweg wird unsere biologische Uhr durcheinander gebracht, der „Jet-Lag“ ist die Folge. Doch der Körper gewöhnt sich sehr schnell an den neuen Tag-Nacht-Rhythmus. Anhand der biologischen Uhr der Fruchtfliege gelang es jetzt Wissenschaftlern mit Hilfe von Computermodellen die Ursachen für das Zusammenspiel zwischen Robustheit und Sensitivität der inneren Uhr genauer zu identifizieren. Diese Studien können zu einem vertieften Verständnis menschlicher Krankheiten beitragen, sie erlauben aber auch generellere Einblicke in den „Sinn“ der Komplexität zellulärer Regelkreise.

Die biologische Uhr im Menschen wie auch in einfacheren Organismen dient dazu, das Verhalten an den Tag-Nacht-Rhythmus anpassen zu können. Alltagserfahrungen wie neuere Studien mit Computermodellen der internen Uhr zeigen, dass diese sich häufig robust verhält, also nicht leicht gestört werden kann. Dabei besteht auf molekularer Ebene die Herausforderung darin, zuverlässig ein komplexes dynamisches Verhalten zu erzeugen, das zudem durch Licht mit der Außenwelt synchronisiert werden kann, um beispielsweise die Periodenlänge der Uhr an die jahreszeitlich unterschiedliche Tagesdauer anzupassen.

Fruchtfliege als Modellorganismus

Für Studien des zirkadianen Rhythmen nutzen Wissenschaftler häufig die Fruchtfliege, da die zugrunde liegenden genetischen Regelkreise analog zu denen beim Menschen aufgebaut sind. Im Kern bestehen diese aus zwei negativen Rückkopplungsschleifen, die ähnlich wie Thermostate funktionieren: Liegt die Konzentration eines Genprodukts über dem Sollwert, wird die Produktion des entsprechenden Proteins ausgeschaltet, und umgekehrt. In der zirkadianen Uhr führt die Zeitverzögerung zwischen der Aktivierung der Gene „per“ und „tim“ und dem Auftauchen der Proteine Per und Tim zu den beobachteten Oszillationen. Doch es ist weitgehend ungeklärt, warum die Uhr eigentlich über zwei parallele Regelkreise verfügt. Denn im Prinzip würde ein einziger Regelkreis für die Generierung eines Rhythmus ausreichen; die „unnötige“ Komplexität der Uhr ist demnach erklärungsbedürftig.

Netzwerkarchitektur entscheidend

Ausgangspunkt des aktuellen Forschungsprojekts zwischen des Max-Planck-Instituts für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg und des Institute for Collaborative Biotechnologies der University of California in Santa Barbara/USA war die Hypothese, dass die komplizierte Architektur der Regelkreise für die Robustheit des Systems notwendig ist. Um dies zu überprüfen, untersuchten sie anhand von Computermodellen, wie störanfällig alternative Architekturen der zirkadianen Uhr entweder mit einer oder zwei Rückkopplungsschleifen sind. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass im Wesentlichen die Netzwerkarchitekturen die Stellen bestimmten, an denen die Modelle empfindlich oder robust auf Störungen reagierten. Die vergleichende Untersuchung der Modelle zeigte anschließend, dass die Komplexität der „realen“ zirkadianen Uhr nicht einfach mit Robustheit gegenüber allen möglichen Störungen begründet werden kann. Vielmehr scheinen die zwei verschalteten Regelkreise die Präzision und Einstellbarkeit der Uhr bei „normalen“ Störungen individueller Regulationsmechanismen zu fördern, wohingegen eine komplexere Struktur die Anfälligkeit gegenüber seltenen komplizierten Störungen erhöht.

Kompromiss zwischen Robustheit und Sensitivität

Die Wissenschaftler fanden zudem Hinweise darauf, dass biologische Zellen das in der Technik häufig verwendete Prinzip der hierarchischen Regelungsstruktur benutzen, um einen optimalen Kompromiss zwischen Robustheit und Sensitivität zu erreichen. Dabei werden die Sensitivitäten an einer zentralen Stelle konzentriert, wodurch die individuellen Funktionen robuster werden, aber bei gezielten Attacken auf die wenigen zentralen Komponenten eine Katastrophe eintritt.

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In der Technik wird dieses Prinzip zum Beispiel für das Design von Kampfflugzeugen verwendet, bei denen die sensibelsten elektronischen Komponenten direkt unter dem Pilotensitz installiert sind, anstelle über das gesamte Flugzeug verteilt zu werden. Für die zirkadiane Uhr zeigten die jetzt publizierten Untersuchungen, dass die komplexe Struktur der „realen“ Uhr sich genau dieses Prinzip zu Nutze macht, um ihre Robustheit insgesamt zu erhöhen. Die neuen Erkenntnisse können für die Untersuchung und Beeinflussung biologischer Rhythmen genutzt werden, da diese beispielsweise die Identifikation viel versprechender Ziele für neuartige Medikamente erlauben, auch unabhängig von kleineren Variationen zwischen den zu behandelnden Individuen.

(MPG, 10.09.2004 – NPO)

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