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Biologie

Betrogene Bienen und Barriere-Gene

Neue Orchideen-Arten entstehen auch ohne räumliche Barrieren

Sandbienen-Männchen an Spinnenragwurz-Orchidee © Universität Zürich

Neue Arten entstehen, wenn Pflanzen- und Tierpopulationen durch Meere oder Bergzüge geografisch voneinander isoliert werden. Dies zeigte Darwin vor mehr als hundert Jahren. Doch Arten können sich auch anders bilden: Bei Orchideen genügen bereits kleine biochemische Veränderungen, um neue Arten in unmittelbarer Nähe zueinander entstehen zu lassen. Dies weist eine schweizerisch-amerikanische Forschungsgruppe jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erstmals nach.

Pflanzenarten teilen sich einen Gen-Pool. Dabei kann es zu Genfluss kommen – dem Austausch von genetischem Material zwischen verschiedenen Populationen einer Art. Genfluss zwischen den Populationen kann aber durch reproduktive Barrieren verhindert werden. Solche Barrieren sind für die

Bildung neuer Arten und die biologische Diversität zentral. Um Artbildungsprozesse zu verstehen, versuchen Evolutionsbiologen die molekularen Mechanismen zu ergründen, die reproduktiven Barrieren zugrunde liegen. Insbesondere versuchen sie so genannte Barriere-Gene zu finden, also jene Gene, die solche Barrieren kontrollieren.

Anziehend für verschiedene Bestäuber

Für ihre Studie untersuchte eine Forschungsgruppe unter der Leitung des Evolutionsbiologen Philipp Schlüter von der Universität Zürich zwei Orchideenarten der Gattung Ophrys, die Spinnenragwurz (O. sphegodes) und die Adriatische Ragwurz (O. exaltata). Beide Arten imitieren die hochspezifischen weiblichen Sexuallockstoffe der sie bestäubenden Bienenart und locken so männliche Bienen an. Im Irrglauben eine Geschlechtspartnerin gefunden zu haben, versuchen die Bienenmännchen sich mit der Blüte zu paaren und bestäuben diese dabei. Die beiden untersuchten Ragwurzarten ziehen dabei jedoch verschiedene Bienenarten an.

Wie die Wissenschaftler jetzt nachweisen können, ist eine kleine biochemische Veränderung im Sexuallockstoff der beiden Ragwurzarten dafür verantwortlich. „Dank der unterschiedlichen

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Bestäuberinsekten wird der Genfluss zwischen den Orchideenarten verhindert und so die Artgrenze Aufrechterhalten“, erläutert Schlüter. So unterscheiden sich die von O.sphegodes und O. exaltata imitierten Sexuallockstoffe in der Position der Doppelbindung bestimmter chemischer Substanzen (Alkene). Schlüter und Kollegen identifizieren ein Gen, dessen Genprodukt, das Protein SAD2, Doppelbindungen in die chemischen Vorstufen der Alkene einfügt.

Reproduktive Barriere durch nur wenige Mutationen

Die Forscher fanden heraus, dass Ophrys sphegodes größere Mengen an SAD2 besitzt und somit vermehrt 9-Alkene und 12-Alkene produziert als O. exaltata. Diese Alkene locken den Bestäuber der Spinnenragwurz an, nicht jedoch jenen von O. exaltata. Da das Gen SAD2 direkt mit dem Bestäuberunterschied und der damit verbundenen reproduktiven Barriere zusammenhängt, fungiert es als Barriere-Gen mit einem großen Effekt auf das Anlocken der Bestäuberinsekten.

Die Erkenntnis, dass die reproduktive Barriere hier nur durch wenige Gene bedingt wird, legt nahe, dass es nur einiger weniger Mutationen bedarf, um neue Bestäuber anzulocken. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass neue Arten nicht nur entstehen, wenn Pflanzen- und Tierpopulationen durch Meere oder Bergzüge geografisch voneinander isoliert werden, wie Charles Darwin vor mehr als hundert Jahren noch annahm. Die Wissenschaftler erwarten daher, dass neue Orchideenarten in verhältnismäßig kurzer Zeit entstehen können. (PNAS, 2011; doi 10.1073/pnas.1013313108)

(Universität Zürich, 24.03.2011 – NPO)

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