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Psychologie

Bekannte Gesichter wirken fröhlicher

Unser Gehirn nimmt vertraute Gesichter anders wahr als unbekannte

Wie fröhlich wirken diese Gesichter? © Bowie15/ iStock.com

Verzerrte Sicht: Wie unser Gehirn ein Gesicht wahrnimmt, hängt nicht nur von seinen objektiven Merkmalen ab. Experimente von US-Forschern zeigen: Entscheidend ist auch, ob uns die Gesichtszüge vertraut oder unbekannt sind. Demnach bewerten wir den emotionalen Ausdruck von bekannten Gesichtern tendenziell positiver als von fremden: Dasselbe Lächeln wirkt dann mal mehr, mal weniger fröhlich.

Ob am Frühstückstisch, im Büro, beim Einkaufen oder auf dem Fernsehbildschirm: Jeden Tag schauen wir unzähligen Menschen ins Gesicht. Die Fähigkeit, das Antlitz von Mitmenschen wiederzuerkennen und zu unterscheiden ist für unser Sozialverhalten enorm wichtig. Kein Wunder also, dass unser Gehirn eigene Zentren für die Gesichtserkennung besitzt und bestimmte Gesichter sogar in jeweils eigenen Neuronen abgespeichert werden.

Tatsächlich scheinen wir so sehr auf Gesichter fixiert zu sein, dass dieser „Face-ism“ unsere Einschätzung von Personen auf vielen Ebenen beeinflusst. So können sich Gesichter beispielsweise auf Wahlentscheidungen oder die Postenvergabe in Unternehmen auswirken. Wie wir Gesichtszüge wahrnehmen, hängt dabei offenbar nicht nur von objektiven Kriterien ab. Vorurteile, Stereotype und sogar unser aktuelles Müdigkeitslevel bestimmen mit darüber, wie ein Gesicht auf uns wirkt.

Fotos aus dem Test: Wer ist fröhlicher, wer verärgerter? © Evan Carr

Ins Gesicht geblickt

Wissenschaftler um Evan Carr von der University of San Diego wollten nun wissen: Macht es auch einen Unterschied, ob wir ein Gesicht bereits kennen oder nicht? Um diese Frage zu beantworten, ließen die Forscher 50 Probanden zum Gesichtstest antreten. Dabei bekamen sie Fotos von männlichen und weiblichen Gesichtern gezeigt.

Diese waren digital so verändert worden, dass sie unterschiedliche Emotionsgrade darstellten – die Bilder deckten dabei verschiedene Stufen von verärgert über neutral bis hin zu fröhlich ab. Das Besondere: Einige der Gesichter hatten die Studienteilnehmer in einem vorangegangenen Experiment auf einem Bildschirm bereits gezeigt bekommen – jedoch so kurz und so subtil, dass sie sich dessen nicht bewusst waren.

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Vertrautes wirkt positiver

Wie würden sie diese Gesichter bewerten? Es zeigte sich: Bekamen die Probanden ein bereits vertrautes und ein völlig unbekanntes Gesicht mit dem objektiv selben emotionalen Ausdruck gezeigt, schätzten sie das bekannte stets als das glücklichere ein. Interessanterweise fand diese Verzerrung jedoch nur bei positiven Gesichtsausdrücken statt. Demnach ließ Vertrautheit zufrieden dreinschauende Gesichter noch glücklicher wirken, verärgerte aber nicht noch böser erscheinen.

Ein anderes Experiment mit 40 Testpersonen bestätigte diese Beobachtungen. So offenbarten die Ergebnisse zum Beispiel: Ein bekanntes Gesicht muss weniger objektiv fröhliche Merkmale aufweisen, um als freudig wahrgenommen zu werden als ein unbekanntes Gesicht. „Wir glauben gerne, dass wir alle Menschen durch dieselbe Linse betrachten. In Wirklichkeit aber färben vorangegangene Erfahrungen das Bild, das wir sehen“, sagt Carr.

Objektivität? Fehlanzeige!

Woran aber liegt es, dass die emotionale Wahrnehmung von Gesichtern auch vom Faktor Vertrautheit abhängt? Die Forscher haben eine einfache Erklärung dafür: „Unser Gehirn mag vertraute Dinge“, sagt Carrs Kollege Piotr Winkielman. „Zum einen bedeuten sie Sicherheit – denn wenn ich etwas wiedersehe, hat es mich beim ersten Mal nicht gefressen. Zum anderen ist bereits Bekanntes leichter zu verarbeiten und unser faules Gehirn schätzt das wert.“

Das wirklich Bemerkenswerte sei, dass die positive Reaktion auf Vertrautheit vermeintlich objektive Bewertungskriterien überdecke. „Das bedeutet, wir können am Ende fest überzeugt davon sein, dass das Gesicht eines bekannten Politikers tatsächlich freundlicher wirkt oder dass ein vertrautes Lied besser ist – nur, weil wir diese bereits kennen“, so Winkielman. Die Studie zeige auf eindrückliche Weise, wie flexibel unsere Wahrnehmung ist, schließen die Forscher. (Psychological Science, 2017; doi: 10.1177/0956797617702003)

(University of California – San Diego, 22.06.2017 – DAL)

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