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Zellbiologie

Befruchtung: Zählfehler am Anfang des Lebens

Bei der Verschmelzung von Ei und Spermium gehen erstaunlich oft Chromosomen verloren

befruchtete Eizelle
Die Bildung von zwei Vorkernen direkt nach der Befruchtung ist der entscheidende Schritt für eine erfolgreiche Entwicklung des Embryos, hier sind sie bei einer befruchteten Rinder-Eizelle zu sehen. © Tommaso Cavazza und Melina Schuh / MPI für biophysikalische Chemie

Überraschend fehleranfällig: Schon der entscheidende Schritt der Befruchtung geht erstaunlich oft schief – die Verschmelzung des Erbguts von Eizelle und Spermium. Forscher haben festgestellt, dass bei diesem Prozess immer wieder einige elterliche Chromosomen aus der Reihe tanzen und dann nicht mit verschmelzen. Das könnte erklären, warum nur rund jede dritte Befruchtung zu einer Schwangerschaft führt.

Mit der Befruchtung der Eizelle beginnt ein neues Leben – aber nur, wenn die entscheidende Verschmelzung des männlichen und weiblichen Erbguts reibungslos klappt. Denn damit ein Embryo entsteht, müssen die 23 Chromosomen des Spermiums und die 23 der Eizelle zum vollständigen Satz von 46 Chromosomen kombiniert werden. Das geschieht, indem sich die noch getrennten Vorkerne aufeinander zu bewegen, bis sie sich berühren. Dann löst sich die Hülle der Vorkerne auf und das Erbgut beider verschmilzt – eigentlich.

Nur jede dritte Befruchtung ist erfolgreich

Doch dieser entscheidende Prozess geht erstaunlich oft schief: 50 bis 70 Prozent der frühen Embryos haben nach dieser Phase die falsche Anzahl von Chromosomen. Dadurch führt statisch gesehen nur jede dritte Befruchtung zu einer erfolgreichen Schwangerschaft. Woran dies liegt, haben nun Forschende um Tommaso Cavazza vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen untersucht.

„Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Embryonen, die eine fehlerhafte Chromosomenzahl aufweisen, bringt bereits die Eizelle zu wenige oder zu viele Chromosomen mit. Das war uns schon bekannt“, erläutert Cavazzas Kollegin Melina Schuh. „Wieso aber tritt das Problem bei noch viel mehr Embryonen auf? Die Zeit direkt nach der Vereinigung von Spermium und Eizelle – das sogenannte Zygoten-Stadium – schien eine extrem kritische Phase für die Entwicklung eines Embryos zu sein. Wir wollten herausfinden, warum das so ist.“

Position der Vorkerne entscheidend

Für ihre Studie beobachtete das Team zunächst per Mikroskop-Video, was in menschlichen Zygoten unmittelbar nach der Befruchtung geschieht. Dabei zeigte sich, dass offenbar schon die Zusammenballung der Chromosomen von Eizelle und Spermium zu Vorkernen eine wichtige Rolle spielt: Sind diese Vorkerne sauber ausgebildet und liegen an der Grenzfläche zwischen den beiden elterlichen Zellanteilen, dann ist die Chance gut, dass sich ein Embryo mit korrektem Chromosomensatz bildet.

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Anders ist dies dagegen, wenn Teile der Erbmasse gar nicht zu Vorkernen kondensieren oder aber die Vorkerne an voneinander entfernten Stellen der Zygote liegen. „Das Ansammeln der Chromosomen an der Vorkern-Grenzfläche scheint ein extrem wichtiger Schritt zu sein“, erklärt Cavazza. „Denn wenn es nicht klappt, passieren in der Zygote folgenschwere Fehler.“ Was genau dabei schief geht, untersuchten die Forschenden bei der Befruchtung von Rinder-Eizellen im Labor. Diese sind in ihrem Verhalten sehr ähnlich, aber größer und damit besser im Detail untersuchbar.

Prozesse in der befruchteten EIzelle
Auf diese Weise kann die Verschmelzung des Erbguts in der Zygote schief gehen. © Cavazza et al./ Cell, CC-by-nd 4.0

Beim Timing und der Vollständigkeit hapert es oft

Die Analysen enthüllten: Der Prozess, der dafür sorgt, dass sich das Erbgut der elterlichen Keimzellen zu nebeneinander liegenden Vorkernen zusammenballt, ist erstaunlich fehleranfällig. In rund einem Viertel der Fälle läuft dieser Prozess nicht korrekt ab. In einigen Fällen stimmt das Timing der Vorkernbildung nicht – das Erbgut eines der beiden Partner ist bei der Verschmelzung dann noch nicht zu kompakten Chromomen kondensiert. In anderen Fällen bleiben einzelne Chromosomen außerhalb des Vorkerns oder die beiden Vorkerne liegen nicht auf Tuchfühlung.

Warum diese Fehler passieren, konnten die Forschenden ebenfalls aufdecken: „Bestandteile des Zellskeletts und der Kernhülle orchestrieren, wohin sich die Chromosomen innerhalb der Vorkerne bewegen“, erklärt Cavazza. „Interessanterweise sind das dieselben Elemente, die auch dafür sorgen, dass sich die beiden Vorkerne aufeinander zu bewegen. Wir haben es also mit zwei eng verknüpften Vorgängen zu tun, die lebenswichtig sind, aber häufig fehlerhaft ablaufen.“

Hilfreich für die Kinderwunsch-Behandlung

Diese Erkenntnisse erklären nicht nur, warum die Befruchtung so häufig schief geht, sie könnten auch dabei helfen, die Erfolgsquote bei der künstlichen Befruchtung zu erhöhen. Denn bei diesem Thema diskutiert man schon länger, ob die Ansammlung der sogenannten Kernkörperchen an der Vorkern-Grenzfläche ein Indikator für eine erfolgreiche Befruchtung sein könnte. Die aktuellen Beobachtungen bestätigen dies nun und liefern zudem Hinweise auf zusätzliche Merkmale wie das Timing und die Vollständigkeit der Vorkerne.

Basierend auf diesem Wissen könnten sich künftig bei einer Kinderwunsch-Behandlung die vielversprechendsten Embryos besser erkennen lassen. Dadurch können dann diese Embryos ausgewählt und der Mutter eingepflanzt werden. (Cell, 2021; doi: 10.1016/j.cell.2021.04.013)

Quelle: Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

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