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Mikrobiologie

Bakterien: Rätsel um Riboschalter gelöst

Eine einzige Base entscheidet über „An“ oder „Aus“

Kristallstruktur der Aptamerdomäne des preQ1 Riboschalters. © Micura

Bakterielle Riboschalter sind multifunktionelle Boten-RNAs (messenger RNAs), die nicht nur den Code eines Genprodukts transportieren, sondern gleichzeitig als Sensor und als Schalter dienen können. Sie sind interessante Ziele für neuartige Antibiotika, könnten künftig aber auch dazu verwendet werden, Mikroben „umzuprogrammieren“, um Umweltgifte zu vernichten. Dazu ist es aber nötig, die Funktionsweise natürlicher Riboschalter besser zu verstehen. Auf diesem grundlegenden Forschungsgebiet ist Innsbrucker Chemikern nun ein großer Fortschritt gelungen.

Mit Riboschaltern messen Bakterien die Konzentration lebenswichtiger Stoffwechselprodukte und passen ihre Produktionsmaschinerie dem aktuellen Bedarf an. Bindet das Stoffwechselprodukt an das eine Ende des Riboschalters, faltet sich das andere blitzschnell um und blockiert so die weitere Synthese des Biomoleküls.

Doch woher „weiß“ das eine Ende, was das andere tut? Wie funktioniert die Kommunikation innerhalb der RNA? Chemiker um Professor Ronald Micura vom Center for Molecular Biosciences (CMBI) der Universität Innsbruck sind diesen Fragen nachgegangen und haben das Umfalten eines Riboschalters in bisher unerreichter Auflösung analysiert. Sie kamen dabei zu einer verblüffenden Erkenntnis: Eine einzige Nukleotidbase entscheidet über den Zustand des Schalters.

Mini-Riboschalter als Forschungsobjekt

Untersuchungsobjekt war der kleinste bisher bekannte Riboschalter namens preQ1. Dieser Mini-Riboschalter kommt in verschiedenen Bakterien vor, darunter Fusobacterium nucleatum, das in der Mund- und Darmflora des Menschen auftritt und Infektionen verursachen kann. Er reguliert die Fähigkeit, das für Bakterien lebenswichtige Molekül Queuosin herzustellen, indem er die Konzentration eines Vorläuferprodukts namens preQ1 misst.

Ulrike Rieder aus Micuras Team stellte nun chemisch markierte Riboschalter für die Fluoreszenz- und NMR-Spektroskopie her. Die große Kunst des Labellings ist dabei, die Struktur der RNA so wenig wie irgend möglich zu verändern. Mit Hilfe ausgeklügelter Verfahren konnten die Wissenschaftler einzelne Nukleotidbasen markieren und erkennen, wie sich deren Positionen beim Umfalten des Schalters verändern.

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„An“ und „Aus“

So fanden sie heraus, dass die Bindung von preQ1 eine bestimmte Nukleotidbase blockiert, die dadurch nicht mehr für die charakteristische Faltung des „An-Zustands“ zur Verfügung steht. Der „Aus-Zustand“ des Schalters wird durch das Vorhandensein von preQ1 jedoch nicht beeinflusst, so dass sich das Gleichgewicht beider Schalterstellungen zu dessen Gunsten verschiebt. Die Kommunikation zwischen der Bindestelle und der Schalterfunktion läuft also über diese eine, entscheidende Nukleotidbase.

Viele Anwendungsmöglichkeiten

Die Riboschalter-Forschung könnte nach Ansicht der Innsbrucker Wissenschaftler in Zukunft auch praktische Anwendungen finden. So wurde diese Form der Gen-Regulation beim Menschen bisher nicht nachgewiesen. Das macht sie für die Pharma-Industrie interessant: Denn die Blockade von für Mikroben lebenswichtigen Riboschaltern könnte eine neue Klasse von Antibiotika erschließen – ohne die Vorgänge in menschlichen Zellen zu stören.

Auch synthetische Biologen interessieren sich für Riboschalter. So ist es kürzlich gelungen, einen künstlichen Riboschalter in E. coli Bakterien einzubauen, der sie dazu veranlasst, das Herbizid und Umweltgift Atrazin aufzuspüren und abzubauen.

(CEMIT – Center of Excellence in Medicine and IT / Universität Innsbruck, 02.06.2010 – DLO)

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