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Biologie

Bäume: Der Kohlehydratvorrat entscheidet

Zucker- und Stärkeeinlagerung macht Bäume resilienter gegen Massenbefall von Insekten

Schwammspinner
Schwammspinner-Raupen können einen ganzen Baum kahlfressen. Was aber entscheidet, ob er überlebt? © Digoarpi/ Getty images

Warum überstehen einige Bäume den massenhaften Befall mit gefräßigen Raupen wie dem Schwammspinner, andere aber nicht? Eine Antwort auf diese Frage haben nun US-Forscher gefunden. Demnach hat ein Baum nur dann eine Chance, wenn er genügend Vorrat an Zuckern und Stärke in seinen Geweben eingelagert hat. Liegt diese Kohlehydrat-Reserve aber unter 1,5 Prozent, erholt er sich vom massenhaften Blattverlust nicht mehr.

Unsere Bäume haben es schwer: Viele von ihnen sind durch Hitze und Trockenheit geschwächt, andere fallen Stürmen zum Opfer. Hinzu kommt der immer häufiger auftretende Massenbefall von gefräßigen Schadinsekten wie den Raupen der Prozessionsspinner und Schwammspinner, aber auch von Holzschädlingen wie Borkenkäfer und Co. Zumindest vom Kahlfraß durch Raupen können sich Bäume normalerweise durchaus erholen – sie schlagen im Idealfall noch im gleichen Jahr neu aus.

Wo liegt die Untergrenze?

Immer häufiger aber kommt es nach solchen Massenbefällen dazu, dass ganze Wälder kahl bleiben und absterben. Aber warum? „Modellen zufolge verringert der Kahlfraß die Zucker- und Stärkereserven eines Baums“, erklären Audrey Barker Plotkin von der Harvard University. Weil die Blätter fehlen, kann der Baum keine Photosynthese mehr durchführen und keine neuen Zuckerverbindungen produzieren. Doch diese Kohlehydrate benötigt er, um nach einem Kahlfraß neue Blätter zu treiben.

Der Theorie nach könnte es demnach eine untere kritische Grenze geben, ab der ein Baum zu wenig Kohlehydratreserven für sein Überleben hat. „Doch wo diese Grenze liegt, konnten frühere Arbeiten nicht beantworten“, so die Forschenden. Deshalb haben Plotkin und ihre Kollegen nun die Zucker- und Stärkevorräte bei Roteichen und Weiß-Eichen in Massachusetts genauer untersucht. Dabei beprobten sie Bäume mit einem unterschiedlichen Grad an Kahlfraß, außerdem frisch abgestorbene und Eichen am Waldrand und in der Waldmitte.

1,5 Prozent Trockenmasse ist das Minimum

Es zeigte sich: Je stärker die Eichen kahlgefressen waren, desto niedriger sanken auch ihre Zucker- und Stärkevorräte. Ob sie jedoch diesen extremen Verbrauch ihrer Reserven überlebten, hing davon ab, wie viele Vorräte die Bäume vor dem Insektenbefall einlagern konnten – und wie viel davon ihnen nach dem Kahlfraß noch blieb. „Alle Bäume, die starben, hatten extrem geringe Kohlehydratreserven in ihren Wurzeln und Stämmen“, berichten die Forschenden.

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Konkret lag die kritische Grenze bei einem Zucker- und Stärkeanteil von rund 1,5 Prozent der Baumtrockenmasse: Eichen, bei denen die Kohlhydratvorräte unter diesen Wert sanken, erholten sich nicht mehr und starben ab, wie Plotkin und ihre Kollegen berichten. „Das liefert den empirischen Beleg dafür, dass diese Bäume verhungert sind“, erklären sie.

Kumulativer Effekt

Das erklärt auch, warum Bäume nach mehreren Trockenjahren oder anderen widrigen Umständen anfälliger auf einen Kahlfraß reagieren: Sie hatten vor dem Befall nicht genug Gelegenheit, ausreichende Kohlehydratvorräte anzulegen. „In gewisser Weise planen Bäume vor: Nur einen Teil der Nährstoffe, die sie im Laufe einer Wachstumssaison produzieren, verbrauchen sie direkt, den Rest lagern sie in Stamm und Wurzeln für schlechte Zeiten ein“, erklärt Koautorin Meghan Blumstein vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Wenn jedoch in einer Vegetationsperiode kaum Nachschub produziert wird, kann der Baum diese „Vorratslager“ nicht auffüllen.

Interessant auch: Bäume am Waldrand scheinen bessere Chance für eine solche Vorratshaltung zu haben. Denn in der Studie besaßen solche randständigen Eichen deutlich höhere Kohlehydratreserven als ihre mitten im Wald stehenden Artgenossen. Das Forschungsteam vermutet, dass die Waldrandbäume vom reichlicher einfallenden Licht und damit einer möglicherweise höheren Photosyntheserate profitieren.

In jedem Falle liefere die Studie nun den ersten Beleg, dass das Absterben von Bäumen nach einem Kahlfraß tatsächlich auf eine Art Hungertod zurückzuführen sei, so Plotkin und ihre Kollegen. Zudem könnte das Wissen um die kritische Vorratsgrenze dabei helfen, die Überlebenschance von Bäumen künftig besser einzuschätzen. (Functional Ecology, 2021; doi: 10.1111/1365-2435.13891)

Quelle: Harvard University

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