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Neurobiologie

Auch im Schlaf hört unser Gehirn noch zu

Das Gehirn unterscheidet auch im Schlaf sinnvolle und sinnlose Sprachinformationen

Schlaf
Selbst im Schlaf verarbeitet unser Gehirn, was wir hören. Doch wir bekommen davon nichts mit.. © Hank Grebe

Wachsames Denkorgan: Im Schlaf bekommen wir zwar nichts von unserer Umwelt mit, unser Gehirn aber schon, wie nun ein Experiment enthüllt. Demnach kann das Gehirn selbst im Schlaf sinnvolle Sprache von unsinnigem Plappern unterscheiden. Das Überraschende jedoch: Während die sinnvollen Reize in den meisten Schlafphasen bevorzugt verarbeitet werden, kehrt sich dies beim aktiven Träumen um, wie die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten. Warum, ist bislang offen.

Schlaf ist für Körper und Geist unverzichtbar. Denn während der Körper ruht, nutzt unser Gehirn die Pause, um Erinnerungen zu sortieren und abzuspeichern, die Synapsen neu zu kalibrieren und Abfallstoffe auszuschwemmen. Damit das Gehirn in dieser Zeit nicht gestört wird, nehmen wir während des Schlafs nur noch eingeschränkt Reize der Außenwelt wahr: Der Wecker dringt meist durch, der Verkehrslärm oder das Sprechen des Partners dagegen oft nicht.

Plappern im Ohr

Abe warum? Bisher ist unklar, wie diese selektive Reizunterdrückung im Schlaf funktioniert. Gibt es einen Filter, der einen Großteil der akustischen Signale gar nicht erst an die übergeordneten Hirnzentren weiterleitet? Oder werden alle eintreffenden Signale komplett ausgewertet und verarbeitet? Um das herauszufinden, haben Forscher um Matthieu Koroma von der Sorbonne Universität in Paris 18 übermüdete Probanden zum Nickerchen ins Schlaflabor gebeten.

Während des Einschlafens und im Schlaf hörten die Teilnehmer auf einem Ohr eine Stimme, die Geschichten erzählte. Das andere Ohr wurde dagegen mit sinnloser Pseudosprache beschallt. Mithilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) verfolgten die Wissenschaftler, ob und wie diese Sprachreize vom Gehirn verarbeitet wurden. Ein spezieller Algorithmus war zuvor darauf trainiert worden, die dafür spezifischen Hirnsignale zu erkennen und zu unterscheiden.

Selektive Verarbeitung auch im Schlaf

Die Hirnströme enthüllten: Selbst als die Probanden einschliefen, hörte ihr Gehirn weiter zu – und dies hochgradig selektiv. Wie für den Wachzustand typisch, wurden die sinnvollen Sprachinhalte auch im Schlaf bevorzugt verarbeitet und verstärkt. Das sinnlose Plappern dagegen dämpfte das Gehirn ab. Diese selektive Reaktion auf akustische Reize blieb im leichten Schlaf und auch im für als Traumschlaf bekannten REM-Schlaf nachweisbar, wie die Forscher berichten.

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„Unsere Ergebnisse bestätigen damit, dass auditorische Reize auch vom schlafenden Gehirn noch verarbeitet werden“, sagen Koroma und seine Kollegen. Statt alle akustischen Signale schon auf niedrigeren Ebenen der Verarbeitung herauszufiltern, hört das Gehirn offenbar selbst im Schlaf noch so genau hin, dass es sinnvolle von sinnlosen Informationen unterscheiden kann. Das spreche für eine im Schlaf anhaltende Verarbeitung solcher Reize auch in den übergeordneten Zentren des Gehirns, so die Wissenschaftler.

Abrupter Wechsel beim Träumen

Das Überraschende jedoch: Während des REM-Schlafs kehrt das Gehirn seine Reaktion auf akustische Reize zeitweilig um. Das geschieht offenbar immer dann, wenn wir im Schlaf unsere Augen schnell hin und her bewegen, wie das Experiment enthüllte. Sobald die Probanden in eine solche Phase eintraten, bevorzugte ihr Gehirn die sinnvolle Sprache nicht mehr. Stattdessen unterdrückte es nun gezielt diese akustischen Informationen. Die Signale der Pseudosprache dagegen blieben während der gesamten REM-Schlafphase weitgehend gleich – egal ob sich die Augen bewegten oder nicht.

Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass unser Gehirn nicht nur ständig zuhört – es passt auch seine Reaktion an die jeweilige Schlafphase an. Demnach haben normalerweise die sinnvollen, potenziell wichtigen Reize Priorität. Wenn wir aber intensiv träumen – wie während der Augenbewegungs-Phasen der Fall – werden auch diese Reize unterdrückt. „Das ist der erste Beleg für einen solchen selektiven Unterdrückungs-Mechanismus während der Augenbewegung“, so Koroma und sein Team.

Hintergründe noch unklar

Warum das Gehirn ausgerechnet in dieser Phase des REM-Schlafs Informationen von außen fernhält, ist bislang unklar. Die Forscher vermuten aber, dass dies dem Gehirn dabei hilft, sich besser auf die internen Vorgänge zu konzentrieren. Denn gerade in diesen Augenbewegungsphasen ist das Träumen besonders intensiv – das Gehirn hat demnach viel zu tun.

„Solche unterdrückenden Mechanismen von Sinnesreizen könnten dem Schutz des Schlafes dienen und dafür sorgen, dass informative Signale nicht die interne Aktivität stören“, mutmaßen die Wissenschaftler. Weitere Studien müssen nun klären, ob sie mit dieser Annahme richtig liegen. (Current Biology, 2020; doi: 10.1016/j.cub.2020.04.047)

Quelle: CNRS

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