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Neurobiologie

Atmung beeinflusst Hirnfunktion

Beim Einatmen durch die Nase erkennen wir Angst schneller und erinnern uns besser

Einmal tief durchatmen: Dabei wird auch unser Gehirn stimuliert. © Antonio Guillem/ iStock.com

Erstaunlicher Effekt: Forscher haben herausgefunden, dass unser Atemrhythmus einen Einfluss auf bestimmte Gehirnfunktionen hat. Vor allem beim Einatmen durch die Nase werden demnach verstärkt die Amygdala und der Hippocampus stimuliert. Die Folge: Wir erkennen Emotionen wie Angst schneller und erinnern uns besser. Dass Menschen in gefährlichen Situationen oft automatisch schneller ein- und ausatmen, könnte demnach einen sinnvollen Hintergrund haben.

Tagtäglich atmen wir unzählige Male ein und wieder aus. Dabei wird durch den Mund oder die Nase Sauerstoff über die Lungen ins Blut transportiert und Kohlendioxid über den umgekehrten Weg an die Umwelt abgegeben. Dieser Gasaustausch ist überlebenswichtig, denn der Körper braucht Sauerstoff für die meisten Stoffwechselvorgänge in den Zellen.

Doch die Atmung beeinflusst nicht nur die Gaskonzentration in unserem Organismus. Sie wirkt sich auch auf überraschende Art und Weise auf unsere Gehirnfunktionen aus, wie Forscher um Christina Zelano von der Northwestern University in Chicago nun herausgefunden haben. Ob wir ein- oder ausatmen und dies über die Nase oder den Mund tun, übt demnach offenbar einen direkten Einfluss auf bestimmte Regionen unseres Denkorgans aus.

Atmung beeinflusst Hirnaktivität

Auf die Idee, die Auswirkungen der Atmung auf die Hirnaktivität zu untersuchen, kamen die Mediziner durch sieben Epilepsiepatienten, denen Elektroden ins Gehirn implantiert worden waren. Diese sollten den Ursprung der Anfälle der Betroffenen offenbaren. Bei der Auswertung der elektrophysiologischen Daten fiel Zelanos Team eine Besonderheit auf: Die Hirnaktivität der Patienten schwankte im Rhythmus ihrer Atmung.

Betroffen waren davon hauptsächlich Bereiche, in denen Emotionen und Erinnerungen verarbeitet werden: die Amygdala und der Hippocampus. Diesem Phänomen wollten die Wissenschaftler genauer auf den Grund gehen. Könnte es sein, dass auch die kognitiven Funktionen, die typischerweise mit diesen Gehirnregionen in Verbindung gebracht werden, von der Atmung beeinflusst sind?

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Beim Einatmen klappt’s besser

Um das zu überprüfen, luden die Forscher 60 Probanden zu zwei Experimenten ein: Zunächst zeigten sie ihnen in schneller Abfolge Fotos von Gesichtern, die entweder Überraschung oder Angst ausdrückten. Mit Angst verbundene Emotionen werden vor allem in der Amygdala verarbeitet. Während die Teilnehmer den Gesichtern so schnell wie möglich die richtige Emotion zuordnen mussten, wurde ihre Atmung aufgezeichnet. Im zweiten Test galt es dagegen, sich verschiedene Objekte zu merken – eine Fähigkeit, die vom Hippocampus gesteuert wird.

Das Ergebnis: Die Probanden konnten angstvolle Gesichter schneller erkennen, wenn sie das Foto während des Einatmens gesehen hatten. Überraschung identifizierten sie in beiden Fällen gleichermaßen gut. Auch an die gezeigten Objekte erinnerten sie sich besser, wenn sie diese beim Einatmen erblickt hatten. Allerdings zeigte sich dieser Effekt nur, wenn die Teilnehmer durch die Nase geatmet hatten. Beim Atmen durch den Mund unterschieden sich Ein- und Ausatmen nicht.

Vorteil in Gefahrensituationen?

„Unsere Studie zeigt, dass es beim Einatmen im Vergleich zum Ausatmen einen dramatischen Unterschied in der Hirnaktivität gibt“, sagt Zelano „Atmen wir durch die Nase ein, stimulieren wir Neuronen im limbischen System, vor allem in der Amygdala und im Hippocampus.“

Doch welcher Sinn steckt hinter diesem auf den ersten Blick merkwürdigen Phänomen? Die Wissenschaftler haben eine Erklärung dafür: „Wenn wir uns in Angst oder Panik befinden, wird unser Atemrhythmus schneller. Als Folge verbringen wir verhältnismäßig mehr Zeit mit dem Einatmen als im ruhigen Zustand normal wäre“, erklärt Zelano. Diese angeborene Reaktion auf Angst könnte in einer gefährlichen Situation von Vorteil sein. Denn sie wirkt sich positiv auf die Hirnfunktion aus: Wir erkennen zum Beispiel Signale, die auf Gefahr hindeuten schneller und können demzufolge besser reagieren. (Journal of Neuroscience, 2016)

(Northwestern University, 07.12.2016 – DAL)

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