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Umwelt

Amazonas: Neuer Entwaldungsrekord

Corona-Pandemie begünstigt illegale Rodungen im brasilianischen Regenwald

Waldrodung
Die Abholzung im Amazonas-Regenwald hat seit Anfang 2020 deutlich zugenommen, wie nun Satellitendaten bestätigen. © luoman/ iStock.com

Verheerender Trend: Die Zerstörung des brasilianischen Amazonas-Regenwalds hat sich weiter beschleunigt. Seit Anfang 2020 sind schon mehr als 2.000 Quadratkilometer Wald verloren gegangen – 34 Prozent mehr als im auch schon rekordträchtigen Vorjahr, wie Forscher auf Basis von Satellitendaten ermittelt haben. Ursache ist neben der nachlassenden Überwachung wegen der Corona-Pandemie auch eine bewusste Förderung illegaler Abholzungen.

Die Corona-Pandemie ist nicht nur eine Bedrohung der menschlichen Gesundheit, sie beeinflusst auch die Natur und den Artenschutz. Zwar profitieren viele sonst von Touristen heimgesuchten Naturregionen von den Reisebeschränkungen und auch Lärm und Luftverschmutzung haben zumindest vorübergehend abgenommen. Gleichzeitig jedoch liegt die Überwachung gefährdeter Gebiete und Arten vielerorts brach, so dass Wilderer und illegale Rodungen leichtes Spiel haben.

Steigender Waldverlust schon im März 2020

Wie stark der Regenwald unter diesem Mangel an Kontrolle gelitten hat, enthüllte schon im Mai 2020 eine Studie der Umweltorganisation WWF. Anhand von Satellitenbildern verglichen Forscher darin die Waldbedeckung Ende März 2020 mit der der Jahre 2017 bis 2019. Das Ergebnis: Im März 2020 wurden weltweit 645.000 Hektar Tropenwald zerstört. Das entspricht mehr als der siebenfachen Fläche von Berlin und ist um 150 Prozent höher als der März-Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019.

Besonders hoch sind die Waldverluste in Südamerika. In Argentinien hatte sich die Rodung und Brandrodung im März 2020 gegenüber 2019 schon um 322 Prozent verstärkt, wie der WWF berichtet. Betroffen ist dort vor allem der Savannenwald der Chaco-Region. In Brasilien, in dem ein Großteil des Amazonas-Regenwalds liegt, stiegen die Waldverluste im März 2020 um 55 Prozent gegenüber 2019.

Trend bisher ungebrochen

Dieser Trend hat sich inzwischen noch verstärkt, wie Satellitendaten des brasilianischen Weltrauminstitut INPE belegen. Demnach sind in den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 im brasilianischen Amazonas mehr als 2.000 Quadratkilometer Wald verloren gegangen. Das sind 49 Prozent mehr als im Durchschnitt der letzten vier Jahre. Besonders betroffen waren die Bundesstaaten Pará, Amazonas und Mato Grosso.

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„Der Amazonas steuert auf eine existenzielle Katastrophe zu“, warnt Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland. „2019 hatten wir die höchste Zerstörung seit zehn Jahren und nun deutet alles darauf hin, dass 2020 ein noch schlimmeres Jahr für den Regenwald wird. Erreichen wir nicht bald eine Trendumkehr, könnte der Amazonas langfristig verloren gehen.“ Im Sommer 2019 haben Waldbrände so viel Waldfläche im Amazonasgebiet zerstört wie kaum jemals zuvor.

Kipppunkt könnte bald überschritten sein

Das Problem: Forscher schätzen, dass der Niedergang des Amazonas-Regenwalds ab 20 bis 25 Prozent zerstörter Fläche irreversibel sein könnte. Weil der Baumbestand nicht mehr ausreicht, um eigene Niederschläge zu erzeugen, trocknet der Regenwald aus. Das Ökosystem könnte dann derart gestört sein, dass positive Rückkopplungen den Regenwald in eine Savanne verwandeln.

Schon jetzt belegen Studien, dass die Luft über dem Amazonas-Gebiet in den letzten 20 Jahren zunehmend trockener geworden ist. Zudem schreitet der Klimawandel nach Einschätzungen von Wissenschaftlern so schnell voran, dass der Regenwald beispielsweise mit einem Wandel der Baumarten-Zusammensetzung nicht hinterherkommt. Die Entwaldung von inzwischen fast 20 Prozent trägt dazu bei, diese Entwicklung noch zu beschleunigen.

Ein „Umkippen“ des Amazonas ließe sich daher nur noch verhindern, wenn die Entwaldung gestoppt und Gebiete aufgeforstet werden – doch das ist gerade in Brasilien nicht in Sicht.

Corona-Krise bewusst ausgenutzt

Im Gegenteil: Brasiliens Regierung unter Jair Bolsonaro nutzt die Corona-Pandemie bewusst aus, um die Entwaldung des Amazonas zugunsten von Holzgewinnung und Landwirtschaft voranzutreiben. Im Video einer Kabinettssitzung forderte Brasiliens Umweltminister Ricardo Salles Gesetzesänderungen zur Liberalisierung und Vereinfachung von Rodungen. Die auf Corona gerichtete Aufmerksamkeit müsse genutzt werden, um die Reformen ohne einen gesellschaftlichen Aufschrei durchzusetzen, so der Minister.

Hinzu kommt, dass Bolsonaro seit seinem Amtsantritt die Behörden, die den Schutz des Waldes überwachen und durchsetzen, durch Mittelkürzungen massiv geschwächt hat. Ihre Arbeit wird dadurch massiv behindert – zum Vorteil illegaler Rodungen. „Die Botschaft, wonach illegales Holzfällen oder Landgrabbing geduldet werden, ist angekommen. In Teilen des Amazonas herrschen heute Wildwest-Zustände“, sagt Maldonado.

Auch Europa kann etwas tun

Nach Ansicht der Umweltorganisation sollten auch andere Staaten nun tätig werden, um den Amazonas-Regenwald zu retten. Ein Ansatzpunkt wäre es, die Lieferketten genauer zu kontrollieren und nur noch Produkte zu importieren, die nicht auf Kosten des Waldes angebaut oder produziert worden sind. Das gelte insbesondere für Firmen, die Soja oder andere Agrarrohstoffe aus Brasilien beziehen oder in ihren Lieferketten haben, so der WWF.

Die EU könnte zudem einen Beitrag leisten, indem sie per Gesetz entwaldungsfreie Lieferketten vorschreibt. Dann dürften keine Waren mehr importiert werden, für die der Regenwald abgeholzt wurde.

Quelle: WWF World Wide Fund For Nature

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